Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Thomas T*****, über den Revisionsrekurs der Mutter Brigitte V*****, Liechtenstein, vertreten durch Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 24. November 2005, GZ 4 R 424/05b-137, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 26. August 2005, GZ 4 P 1593/95b-132, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gemäß § 71 Abs 3 AußStrG kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der unterhaltsberechtigte, 1987 geborene Thomas wohnt im Haushalt seines obsorgeberechtigten Vaters in Österreich. Seine Mutter lebt mit zwei Kindern, die 1993 und 1996 geboren wurden, in Liechtenstein, wo sie erwerbstätig ist.Gemäß Paragraph 71, Absatz 3, AußStrG kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der unterhaltsberechtigte, 1987 geborene Thomas wohnt im Haushalt seines obsorgeberechtigten Vaters in Österreich. Seine Mutter lebt mit zwei Kindern, die 1993 und 1996 geboren wurden, in Liechtenstein, wo sie erwerbstätig ist.
Das Erstgericht erhöhte den von der Mutter für Thomas zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag von 110 EUR auf 158 EUR für die Zeit vom 1. 4. bis 30. 6. 2004, auf 210 EUR für die Zeit vom 1. 7. bis 31. 12. 2004 und auf 157 EUR ab 1. 1. 2005. Zur Anpassung an die gegenüber Österreich höheren Lebenshaltungskosten in Liechtenstein sei das zur Unterhaltsbemessung heranzuziehende Einkommen der Mutter entsprechend dem Verhältnis der Bruttosozialprodukte je Einwohner der beiden Länder mit dem Faktor 0,659 zu multiplizieren. Nach der Prozentsatzmethode habe Thomas einen Unterhaltsanspruch von 19 % der so ermittelten Unterhaltsbemessungsgrundlage.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Die vom Erstgericht gewählte Methode zur Berücksichtigung der höheren Lebenshaltungskosten in Liechtenstein sei nicht zu beanstanden. Unter diesen Umständen könne - ausgehend von den korrigierten Einkünften - auch auf die Höhe des Existenzminimums nach österreichischen Verhältnissen zurückgegriffen werden. Das während des Unterhaltsbemessungszeitraums geringste Monatseinkommen der Mutter von rund 1.254 EUR betrage auf österreichische Verhältnisse angepasst ca 826 EUR, das entsprechende unterhaltsrechtliche Existenzminimum bei einem Verdienst dieser Höhe unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten 694,50 EUR. Ziehe man bei einer Bemessungsgrundlage von 826 EUR den vom Erstgericht ab 1. 1. 2005 auferlegten monatlichen Unterhalt von 157 EUR ab, ergebe dies 669 EUR. Dieser Betrag liege um 25,50 EUR unter dem für die Mutter fiktiv Anwendung findenden Unterhaltsexistenzminimum. Dieses bilde allerdings nach ständiger Rechtsprechung keine starre Grenze für Unterhaltsbelastungen, weil der Unterhaltspflichtige seine Kinder an den - wenn auch kargen - Verhältnissen angemessen teilhaben lassen müsse und der geleistete Geldunterhalt ohnedies die Lebenshaltungskosten des Unterhaltsberechtigten nicht zur Gänze abdecken könne. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendbarkeit der vom Rekursgericht nicht beanstandeten Methode fehle. Es könne „nun doch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hiebei um eine ausschließlich einzelfallbezogene Frage der Unterhaltsbemessung" handle.
Rechtliche Beurteilung
Der ordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG), mangels einer iSd § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.Der ordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch (Paragraph 71, Absatz eins, AußStrG), mangels einer iSd Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Die Revisionswerberin macht in ihrer Zulassungsvorstellung Folgendes geltend:
1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei das Unterhaltsexistenzminimum nach § 291b Abs 2 EO Richtsatz für die Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen. Diese Grenze könne nach der Rechtsprechung zwar unterschritten werden, aber nur dort, wo dem Kind kein zur Ergänzung fähiger subsidiär zur Deckung verpflichteter betreuender Elternteil zur Verfügung stehe. Das Rekursgericht weiche von dieser Rechtsprechung - nämlich der Entscheidung 6 Ob 211/00y - ab, stehe doch der betreuende Vater zur Verfügung, um die Differenz auf den fehlenden Unterhaltsbestandteil auszugleichen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt. Die Revisionswerberin hat sich in erster Instanz auf eine subsidiäre Geldunterhaltspflicht des betreuenden Vaters (§ 140 Abs 2 Satz 2 ABGB) nicht berufen. Eine teilweise (wie von der Rekurswerberin angestrebt) oder sogar gänzliche Befreiung des an sich Geldunterhaltspflichtigen (mit einem Einkommen nahe dem Existenzminimum) ist nur dann denkbar, wenn der betreuende Elternteil über ein beträchtlich höheres Einkommen verfügt, sodass die dem anderen Teil zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Würdigung der Umstände nicht mehr ins Gewicht fällt (1 Ob 16/02p = JBl 2002, 516; vgl 1 Ob 229/04i; SZ 73/133). Ein beträchtlich höheres Einkommen des Vaters hat die Mutter nicht behauptet. Nach den Angaben im Erhöhungsantrag, erzielt der Vater als selbständiger Buchhalter ein monatliches Einkommen von rund 1.000 EUR. Dieses liegt unter dem Einkommen, das die Mutter bezieht. Aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ergibt sich zudem nicht, dass das Unterhaltsexistenzminimum nach § 291b EO nur dort in den Grenzen des § 292b EO unterschritten werden dürfe, wo eine subsidiäre Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils nach § 140 Abs 2 ABGB nicht besteht. So führt etwa die Entscheidung 6 Ob 233/00h aus, dass die dargelegte Unterschreitung bei Bedarf „zumindest" in dem beschriebenen Fall zulässig ist. Im Übrigen scheidet eine genaue Berechnung der Belastbarkeitsgrenze aus, es ist vielmehr im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen noch am ehesten tragbare Regelung zu treffen (10 Ob 83/00d; 3 Ob 257/05y).1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei das Unterhaltsexistenzminimum nach Paragraph 291 b, Absatz 2, EO Richtsatz für die Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen. Diese Grenze könne nach der Rechtsprechung zwar unterschritten werden, aber nur dort, wo dem Kind kein zur Ergänzung fähiger subsidiär zur Deckung verpflichteter betreuender Elternteil zur Verfügung stehe. Das Rekursgericht weiche von dieser Rechtsprechung - nämlich der Entscheidung 6 Ob 211/00y - ab, stehe doch der betreuende Vater zur Verfügung, um die Differenz auf den fehlenden Unterhaltsbestandteil auszugleichen. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt. Die Revisionswerberin hat sich in erster Instanz auf eine subsidiäre Geldunterhaltspflicht des betreuenden Vaters (Paragraph 140, Absatz 2, Satz 2 ABGB) nicht berufen. Eine teilweise (wie von der Rekurswerberin angestrebt) oder sogar gänzliche Befreiung des an sich Geldunterhaltspflichtigen (mit einem Einkommen nahe dem Existenzminimum) ist nur dann denkbar, wenn der betreuende Elternteil über ein beträchtlich höheres Einkommen verfügt, sodass die dem anderen Teil zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Würdigung der Umstände nicht mehr ins Gewicht fällt (1 Ob 16/02p = JBl 2002, 516; vergleiche 1 Ob 229/04i; SZ 73/133). Ein beträchtlich höheres Einkommen des Vaters hat die Mutter nicht behauptet. Nach den Angaben im Erhöhungsantrag, erzielt der Vater als selbständiger Buchhalter ein monatliches Einkommen von rund 1.000 EUR. Dieses liegt unter dem Einkommen, das die Mutter bezieht. Aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ergibt sich zudem nicht, dass das Unterhaltsexistenzminimum nach Paragraph 291 b, EO nur dort in den Grenzen des Paragraph 292 b, EO unterschritten werden dürfe, wo eine subsidiäre Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils nach Paragraph 140, Absatz 2, ABGB nicht besteht. So führt etwa die Entscheidung 6 Ob 233/00h aus, dass die dargelegte Unterschreitung bei Bedarf „zumindest" in dem beschriebenen Fall zulässig ist. Im Übrigen scheidet eine genaue Berechnung der Belastbarkeitsgrenze aus, es ist vielmehr im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen noch am ehesten tragbare Regelung zu treffen (10 Ob 83/00d; 3 Ob 257/05y).
2. Zur Frage, ob mangelnde Kenntnis des Existenzminimums „für Liechtenstein" durch die vom Erstgericht gewählte Berechnungsmethode ersetzt werden könne, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung. Die Methode des Erstgerichts sei nicht verlässlich. Es hätte die Bekanntgabe des Existenzminimums für Liechtenstein einfordern müssen. Auch mit diesen Ausführungen wird eine erhebliche Rechtsfrage nicht dargelegt:
Unstrittig ist, dass nach dem von Österreich (und auch von Liechtenstein) ratifizierten Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsstatutübereinkommen, BGBl 1961/293) das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Kindes (hier: Österreich) bestimmt, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen kann (Art 1 Abs 1). Das berufene Sachrecht beherrscht den Unterhaltsanspruch in jeder Hinsicht; es bestimmt den Unterhaltsschuldner, dem Umfang und sämtliche Voraussetzungen des Anspruchs (6 Ob 233/00h mwN; RIS-Justiz RS0106532). Daraus leitet die Entscheidung 6 Ob 233/00h ab, dass das betreibungsrechtliche Existenzminimum nach dem Recht des Staates, in dem sich der Unterhaltsverpflichtete aufhält, nicht ausschlaggebend ist. Im Übrigen kennt das liechtensteinische Recht keinen Richtwert für ein Unterhaltsexistenzminimum. Nach Art 215 Abs 1 der liechtensteinischen Exekutionsordnung, liechtensteinisches LGBL 1972 Nr 32/2, ist nämlich das Einkommen des Verpflichteten zur Hereinbringung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen ohne die im Art 211 des Gesetzes angeführte Beschränkung pfändbar. Es ist ihm jedoch soviel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.Unstrittig ist, dass nach dem von Österreich (und auch von Liechtenstein) ratifizierten Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsstatutübereinkommen, BGBl 1961/293) das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Kindes (hier: Österreich) bestimmt, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen kann (Artikel eins, Absatz eins,). Das berufene Sachrecht beherrscht den Unterhaltsanspruch in jeder Hinsicht; es bestimmt den Unterhaltsschuldner, dem Umfang und sämtliche Voraussetzungen des Anspruchs (6 Ob 233/00h mwN; RIS-Justiz RS0106532). Daraus leitet die Entscheidung 6 Ob 233/00h ab, dass das betreibungsrechtliche Existenzminimum nach dem Recht des Staates, in dem sich der Unterhaltsverpflichtete aufhält, nicht ausschlaggebend ist. Im Übrigen kennt das liechtensteinische Recht keinen Richtwert für ein Unterhaltsexistenzminimum. Nach Artikel 215, Absatz eins, der liechtensteinischen Exekutionsordnung, liechtensteinisches LGBL 1972 Nr 32/2, ist nämlich das Einkommen des Verpflichteten zur Hereinbringung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen ohne die im Artikel 211, des Gesetzes angeführte Beschränkung pfändbar. Es ist ihm jedoch soviel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.
Auch wenn österreichisches Recht für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen maßgeblich ist, schließt dies nicht aus, unter Umständen dessen Lebenshaltungskosten an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zu berücksichtigen, die sich ja nach dem Lohnniveau, den Preisverhältnissen und den gesetzlichen Steuerbestimmungen etc seines Staates richten (10 Ob 2416/96h; 6 Ob 233/00h). Diese Rechtsprechung haben die Vorinstanzen angewandt. Die Frage des Kaufkraftverhältnisses zwischen Österreich und Liechtenstein ist eine Tatfrage. An die entsprechende Feststellung des Erstgerichts, die im Rekurs von der Mutter nicht bekämpft wurde, ist der Oberste Gerichtshof gebunden.
Da die Unterhaltsbemessung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig ist, die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage nicht vorliegt und auch der Revisionsrekurs keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen vermag, ist er als unzulässig zurückzuweisen.
Anmerkung
E8196710Ob56.06tSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inEF-Z 2007/13 S 24 - EF-Z 2007,24 = ÖA 2006,261 U492 - ÖA 2006 U492 =EFSlg 113.202 = EFSlg 113.515 = EFSlg 114.705 = EFSlg 114.706 = EFSlg114.707XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0100OB00056.06T.0912.000Zuletzt aktualisiert am
26.08.2009