TE OGH 2008/2/18 15Os12/08s

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Veröffentlicht am 18.02.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marcus M***** wegen des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 und Abs 3 letzter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. September 2007, GZ 37 Hv 152/07y-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marcus M***** wegen des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach Paragraph 92, Absatz eins und Absatz 3, letzter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 19. September 2007, GZ 37 Hv 152/07y-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marcus M***** des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 und Abs 3 letzter Fall StGB schuldig erkannt.Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marcus M***** des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach Paragraph 92, Absatz eins und Absatz 3, letzter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. Juli 2006 (in Innsbruck) seiner am 21. April 2006 geborenen, sohin unmündigen Tochter Vivian K*****, welche seiner Fürsorge und Obhut unterstand, durch heftiges Schütteln körperliche Qualen zugefügt, wobei die Tat Teilabrisse sowie vollständige Abrisse der Brückenvenen in deren Hinterkopfbereich, ein Subduralhämatom in Form eines insgesamt etwa handtellergroßen Blutkuchens am Hinterkopf zwischen harter und weicher Hirnhaut, ein Subarachnoidalhämatom und eine Marklagerblutung am rechten Hinterhauptlappen des Großhirns und somit den Tod des Säuglings zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist im Recht. Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5) auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite offenbar unzureichend begründet sind. Das Schöffengericht hat seine Konstatierungen, denen zufolge es der Angeklagte, der das Kind fünf bis zehn Sekunden lang mehrmals heftig schüttelte, „ernsthaft" für möglich hielt und sich damit abfand, dass er dem Kind dadurch „bedeutende Schmerzen und Qualen zufügen könnte", ihm dies jedoch egal gewesen sei (US 5), mit dem objektiven Hergang begründet, aus dem für jedermann, insbesondere für mit Säuglingsfürsorge befasste Personen und aufgrund von Medienberichten über das „Schütteltrauma" ein entsprechender Wissensstand und ein sich Abfinden bezüglich des Zufügens von Qualen („im Sinne von stärkeren Schmerzen") ableitbar sei (US 11 f). Dabei hat es jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte nigerianischer Abstammung und der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig ist, sodass es einer besonderen Auseinandersetzung damit bedurft hätte, warum gerade auch ihm dieser - ua aus dem Konsum von Medienberichten abgeleitete - Wissensstand zugerechnet werde. In diesem Zusammenhang hat das Schöffengericht zudem dem Begriff der (vom Vorsatz des Angeklagten umfassten) „Qualen" insofern einen zu weiten Anwendungsbereich zugeschrieben, als es diese mit jeglichen „stärkeren Schmerzen" gleichsetzte. Qualen sind jedoch nur solche - mit einer erheblichen Beeinträchtigung des psychischen oder physischen Wohlbefindens verbundene - Schmerzen (oder Leiden oder Angstzustände), die einen längeren Zeitraum andauern oder sich wiederholen (vgl RIS-Justiz RS0093088; Hauptmann/Jerabek in WK² § 92 Rz 12; Kienapfel/Schroll BT I5 § 92 Rz 15; Zagler in SbgK § 92 Rz 11).Dagegen richtet sich die auf Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 4,, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist im Recht. Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Ziffer 5,) auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite offenbar unzureichend begründet sind. Das Schöffengericht hat seine Konstatierungen, denen zufolge es der Angeklagte, der das Kind fünf bis zehn Sekunden lang mehrmals heftig schüttelte, „ernsthaft" für möglich hielt und sich damit abfand, dass er dem Kind dadurch „bedeutende Schmerzen und Qualen zufügen könnte", ihm dies jedoch egal gewesen sei (US 5), mit dem objektiven Hergang begründet, aus dem für jedermann, insbesondere für mit Säuglingsfürsorge befasste Personen und aufgrund von Medienberichten über das „Schütteltrauma" ein entsprechender Wissensstand und ein sich Abfinden bezüglich des Zufügens von Qualen („im Sinne von stärkeren Schmerzen") ableitbar sei (US 11 f). Dabei hat es jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte nigerianischer Abstammung und der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig ist, sodass es einer besonderen Auseinandersetzung damit bedurft hätte, warum gerade auch ihm dieser - ua aus dem Konsum von Medienberichten abgeleitete - Wissensstand zugerechnet werde. In diesem Zusammenhang hat das Schöffengericht zudem dem Begriff der (vom Vorsatz des Angeklagten umfassten) „Qualen" insofern einen zu weiten Anwendungsbereich zugeschrieben, als es diese mit jeglichen „stärkeren Schmerzen" gleichsetzte. Qualen sind jedoch nur solche - mit einer erheblichen Beeinträchtigung des psychischen oder physischen Wohlbefindens verbundene - Schmerzen (oder Leiden oder Angstzustände), die einen längeren Zeitraum andauern oder sich wiederholen vergleiche RIS-Justiz RS0093088; Hauptmann/Jerabek in WK² Paragraph 92, Rz 12; Kienapfel/Schroll BT I5 Paragraph 92, Rz 15; Zagler in SbgK Paragraph 92, Rz 11).

Wenngleich die Feststellungen und die in diese Richtung mängelfreie Begründung anstelle des erfolgten einen Schuldspruch in Richtung §§ 83 Abs 2, 86 StGB (verbunden mit derselben Strafdrohung) tragen würden, ist der Angeklagte durch den vorliegenden Begründungsmangel beschwert (vgl Fabrizy, StPO9 § 282 Rz 1).Wenngleich die Feststellungen und die in diese Richtung mängelfreie Begründung anstelle des erfolgten einen Schuldspruch in Richtung Paragraphen 83, Absatz 2,, 86 StGB (verbunden mit derselben Strafdrohung) tragen würden, ist der Angeklagte durch den vorliegenden Begründungsmangel beschwert vergleiche Fabrizy, StPO9 Paragraph 282, Rz 1).

Das Urteil war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).Das Urteil war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (Paragraph 285 e, StPO).

Im weiteren Rechtsgang werden auch die - erstmals in der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen und somit bei Beurteilung der Richtigkeit der Entscheidung über den betreffenden Beweisantrag iSd § 281 Abs 1 Z 4 StPO unbeachtlichen - detaillierten Einwände der Verteidigung gegen das vorliegende Gutachten zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidungsgrundlagen durch Einholung weiterer Expertisen zu erweitern sein (§ 3 Abs 2 StPO).Im weiteren Rechtsgang werden auch die - erstmals in der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen und somit bei Beurteilung der Richtigkeit der Entscheidung über den betreffenden Beweisantrag iSd Paragraph 281, Absatz eins, Ziffer 4, StPO unbeachtlichen - detaillierten Einwände der Verteidigung gegen das vorliegende Gutachten zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidungsgrundlagen durch Einholung weiterer Expertisen zu erweitern sein (Paragraph 3, Absatz 2, StPO).

Anmerkung

E86881 15Os12.08s

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0150OS00012.08S.0218.000

Dokumentnummer

JJT_20080218_OGH0002_0150OS00012_08S0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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