Index
L85006 Straßen Steiermark;Norm
ABGB §480;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde
1. des E T, 2. der A T, und 3. der C A, alle in S, alle vertreten durch Dr. Klaus Herunter, Rechtsanwalt in 8580 Köflach, Herunterplatz 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Jänner 2007, Zl. FA18E-80.00 457/06-2, betreffend die Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße (mitbeteiligte Parteien: 1. M P, Graz, 2. Gemeinde S, vertreten durch Dr. Josef Peißl, Rechtsanwalt, 8580 Köflach, Judenburgerstraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall geht es um die Feststellung, ob der Bienenweg im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde (der seit 1987 so heißt) in einem bestimmten Bereich, nämlich soweit er über die Grundstücke Nr. 586/5 (des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin), Nr. 664/3, Nr. 664/1 (der Drittbeschwerdeführerin) und Nr. 664/22 verläuft und dort in das Weggrundstück Nr. 743/2 mündet, eine öffentliche Straße ist. Die erstgenannten vier Grundstücke sind von Südwesten nach Nordosten aneinander gereiht, alle vier Grundstücke grenzen im nordwestlichen Bereich an das schmale Grundstück Nr. 717, das selbst an die Grundstücke Nr. 719 und Nr. 720 grenzt; letztere drei Grundstücke gehören der erstmitbeteiligten Partei. Der Bienenweg ist eine Sackgasse, er beginnt im Südwesten (beim westlichen Ende des Grundstückes Nr. 586/5) und erschließt verkehrsmäßig die angrenzenden Grundstücke. Der Bienenweg bestand in seinem ursprünglichen Verlauf schon im 19. Jahrhundert und bildete das der Gemeinde zugeschriebene Weggrundstück Nr. 743/2, wobei sich im nunmehr strittigen Bereich auch weitere Grundstücke der Gemeinde befanden (Wiesen und Äcker). Auf Grund eines Teilungsplanes des DI. K. vom 7. März 1961 wurden durch Grundstücksteilungen und -vereinigungen die drei neuen Grundstücke Nr. 586/5, Nr. 664/3 und Nr. 664/1 gebildet, wobei das damalige Grundstück Nr. 664/1, wie sich aus den Planunterlagen in den Akten ergibt, in der Folge in die nunmehrigen Grundstücke Nr. 664/1 und Nr. 664/22 geteilt wurde. Das sind die vier eingangs genannten Grundstücke (in der Folge meist kurz: vier Grundstücke bzw. ursprünglich drei, nunmehr vier Grundstücke). Das Weggrundstück Nr. 743/2 wurde im fraglichen Bereich teils den neu gebildeten Grundstücken zugeschlagen, aber auch zu einem Teil mit dem Grundstück Nr. 717 vereinigt, womit es katastral auf das noch bestehende Stück reduziert wurde (insofern weiterhin öffentliches Gut der Gemeinde). Unstrittig ist, dass der Verlauf des bestandenen Weges im Bereich der damals drei und nunmehr vier Grundstücke verändert und offensichtlich in den Bereich der nordwestlichen Grenzen (zum Grundstück Nr. 717) verlegt wurde (gemäß den Hinweisen in den Akten offensichtlich um eine bessere Bebaubarkeit der neu gebildeten Grundstücke zu ermöglichen). Unstrittig ist auch, dass Wegeservituten zu Lasten der damaligen drei und nunmehrigen vier Grundstücke, über die der Weg verläuft, nicht verbüchert sind. Die Gemeinde veräußerte die drei neu gebildeten Grundstücke mit den in der Folge nach aufsichtsbehördlicher Genehmigung verbücherten Kaufverträgen vom
8. bzw. 10. Juli 1961 den nunmehrigen Eigentümern dieser drei bzw. in der Folge vier Grundstücken bzw. deren Rechtsvorgängern im Eigentum (die Verbücherung der drei Kaufverträge erfolgte, wie sich aus den Tagebuchzahlen auf den in den Verwaltungsakten befindlichen Ablichtungen ergibt, in den Jahren 1962 und 1965).
Mit Eingabe vom 3. Dezember 2003 (bei der Behörde eingelangt am 4. Dezember 2003 beantragte die erstmitbeteiligte Partei (unter Hinweis auf ihre Absicht, dass bei der nächsten Revision des Flächenwidmungsplanes ihre Grundstücke Nr. 719 und Nr. 720 als Bauland ausgewiesen wurden), die Feststellung der Öffentlichkeit des Bienenweges, wobei sie die Auffassung vertrat, dass das ehemalige Weggrundstück Nr. 743/2 (gemeint sichtlich: der in der Natur bestehende, über die genannten vier Grundstücke verlaufende Weg) ohnedies weiterhin eine Straße mit Öffentlichkeitscharakter sei. Die Beschwerdeführer widersprachen; insbesondere der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin verwiesen darauf, dass die Gemeinde selbst den Weg im fraglichen Bereich im Jahr 1995 als "Privatstraße" bezeichnet habe. Der Weg sei bislang ausschließlich von den servitutsberechtigten Anrainern benutzt worden. Es sei somit weder ein langjähriger zumindest zehnjähriger Gebrauch durch die Öffentlichkeit gegeben, noch ein dringendes Verkehrsbedürfnis.
In der Folge wurde auch darauf verwiesen, dass der Weg in einem Bauverhandlungs-Protokoll vom 21. Juni 1961 betreffend das Grundstück Nr. 664/3 als "Servitutsweg" bezeichnet worden sei ("die erschienenen Interessenten verlangen ... die ordnungsgemäße Herstellung des überlegten Servitutsweges").
Der Bürgermeister der Gemeinde entschied mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 13. Mai 2005 nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens antragsgemäß und stellte fest, dass der über die Grundstücke Nr. 586/4, Nr. 664/3, Nr. 664/1 und Nr. "665/22" (richtig gestellt im Berufungsverfahren auf Nr. 664/22) verlaufende Bienenweg, beginnend bei der Einmündung in die Landesstraße L 315 und endend an der südwestlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes Nr. 706/3 in einer wechselnden Breite von etwa 3 m bis 4 m und einer "Zirka-Länge" von 220 m, so wie diese Straße in der Natur bestehe, eine öffentliche Straße (Gemeindestraße) darstelle und der allgemeinen Benützung (dem Gemeingebrauch) für ein dringendes Verkehrsbedürfnis hinsichtlich aller Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahr-, Radfahr- und Fußgeherverkehr, usw.) frei stehe, welche Benützung jedermann gestattet sei und durch niemanden eigenmächtig behindert werden dürfe.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Im Berufungsverfahren wurde das Ermittlungsverfahren durch einen Ortsaugenschein ergänzt.
Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Februar 2006 wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde zunächst die Bezeichnung des Grundstückes Nr. 664/22 richtig gestellt (statt 665/22). Nach Darstellung der Ergebnisse des Ortsaugenscheines (Feststellungen der tatsächlichen Verhältnisse in der Natur, woraus sicht ergibt, dass der Weg asphaltiert ist) heißt es weiter, am nördlichen Ende des Asphaltbandes befänden sich die Wohnhäuser Bienenweg 10 (Gstk. Nr. 664/1) und Bienenweg 12 (Gstk. Nr. 664/22). In geradliniger Verlängerung des Weges befänden sich die Liegenschaft K./K. (Grundstück Nr. 706/3). Westlich des letzteren Grundstückes befände sich das öffentliche Gut Gstk. Nr. 743/2. Unmittelbar an das Asphaltband schließe in Richtung Norden ein erdiger, teilweise befestigter Einmündungstrichter an; ab der südlichen Grundstücksecke des Grundstückes Nr. 706/3 sei keine Fahrtrasse erkennbar, sehr wohl westlich davon vermutlich auf dem Grundstück Nr. 717. Zwischen den Häusern Bienenweg 12 bzw. dem Grundstück K./K. befinde sich kein Umkehrplatz. Am nördlichen Ende des asphaltierten Teiles des Bienenweges, somit an der Nordgrenze des Grundstückes Nr. 664/22 befinde sich eine Zufahrt zu näher bezeichneten landwirtschaftlichen Grundstücken, wobei die Überquerung eines bestehenden Gerinnes über einen Rohrdurchlass erfolge. Die Zufahrt erfolge dort zum Grundstück Nr. 723/1 und anderen Grundstücken. Über Begehren des Beschwerdevertreters sei festgehalten worden, dass während des Ortsaugenscheines an einem näher bestimmten Tag zwischen 8.00 h und 8.45 h keine Fahrzeuge mit Ausnahme jener der Verhandlungsteilnehmer den Weg befahren hätten. Die Liegenschaftseigentümerin K. habe den Weg mit einem Fahrrad befahren.
Nach Darstellung einer ergänzenden Äußerung des Beschwerdevertreters und der ablehnenden Äußerung des Eigentümers des Grundstückes Nr. 664/22 (der sich gegen eine Öffentlichkeitserklärung aussprach) wird die Stellungnahme der erstmitbeteiligten Partei wiedergegeben, die vorbrachte, der Bienenweg sei, wie sich aus der Aktenlage ergebe, in seiner Gesamtheit als öffentliches Gut ausgewiesen gewesen. Im Jahr 1961 sei durch die vorgenommenen Teilungen das Weggrundstück Nr. 743/2 bis auf einen kleinen Rest und das Wiesengrundstück Nr. 664/2 durch Mappenberichtigung den Grundstücken Nr. 664/1, 664/3 und 586/5 sowie Nr. 717 zugeschlagen worden. Derzeit bestehe ein Rest des Grundstückes Nr. 743/2 in einem Ausmaß von 255 m2 noch als öffentliches Gut der Gemeinde. Eine rechtsgültige Auflassung des gesamten Gemeindestraßenzuges als Gemeindestraße und Überführung in eine andere Straßenkategorie sei nicht erfolgt und es sei auch keine "Dienstbarkeit für die Erschließung der dahinterliegenden Liegenschaften getroffen worden". Die Veräußerung eines Teiles der Gemeindestraße an die Anrainer habe vermutlich einen baurechtlichen Hintergrund und "besitzt keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit des Bienenweges". Somit handle es sich gemäß § 2 Abs. 1 des Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964 um eine öffentliche Straße. Der Bienenweg habe darüber hinaus seit Bestehen ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen der Grundeigentümer ständig von jedermann benützt werden können. Die Öffentlichkeit des Weges sei darüber hinaus durch das dringende Verkehrsbedürfnis aller angeschlossenen Liegenschaften gegeben, weil "keine rechtsverbindlichen Zufahrtsregelungen vorliegen".
Nach Wiedergabe der Berufungen heißt es im Berufungsbescheid weiter, der Bienenweg sei ursprünglich durch die Grundstücke Nr. 586/5, Nr. 664/3 und Nr. 664/1 verlaufen und sei an die westlichen Grundstücksränder verlegt worden. Die Gemeinde habe es allerdings seinerzeit verabsäumt, den an den westlichen Grundstücksrändern neu errichteten Weg vermessen zu lassen und wiederum als öffentliches Gut auszuscheiden. Ein Restgrundstück der seinerzeit bestandenen öffentlichen Gemeindestraße Nr. 743/2 bestehe weiterhin. Für die Feststellung der Öffentlichkeit eines in der Natur bestehenden Weges sei es unerheblich, wer den Weg errichtet habe. Die Behauptung des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin, dass sie keinesfalls ohne Einschränkung das Befahren des Weges geduldet hätten, weil der Weg lediglich von den näher bezeichneten Servitutsberechtigten auf Grund eines eingeräumten Dienstbarkeitsrechtes benützt worden sei, sei unzutreffend. Die Mehrzahl der im Ermittlungsverfahren befragten Personen habe im Wesentlichen angegeben, diesen Weg zu allen Zeiten uneingeschränkt benutzt zu haben. Die Benutzung dieses Weges auf Grund eines Servitutsrechtes sei von keiner der vernommenen Personen angegeben worden und auch diese Beschwerdeführer hätten keine Servitutsvereinbarungen vorlegen können. Auch im Grundbuch schienen solche Wegerechte nicht auf.
Zur behaupteten Einschränkung der langjährigen Übung (gemeint ist die ungehinderte Benützung des Weges) sei festzuhalten, dass seit dem Verkauf der Grundstücke durch die Gemeinde im Jahr 1961 keine Beschränkung der Befahrung gegeben gewesen sei. Das Vorbringen, dass vor 16 oder 17 Jahren eine Tafel "Privatweg" angebracht gewesen und dies eine Indiz dafür sei, dass der Weg nur beschränkt benutzt werden sollte, sei nicht geeignet, eine Beschränkung der Benützung im Sinne des § 2 LStVG 1964 zu begründen. Es habe nur eine der vernommenen Personen angeführt, dass diese Tafel aufgestellt worden sei, aber keine Auskunft darüber geben können, wer dies getan habe und wer sie wieder abmontiert habe. Das Vorbringen, dass bestimmte Benützungsberechtigten ihre Liegenschaften auch über eigene Grundstücke aufschließen könnten, sei hier nicht erheblich.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dargelegt habe, führe die Verlegung der Trasse einer Straße nicht dazu, dass dadurch die Öffentlichkeit des Weges nicht mehr gegeben sei, wenn die Grundeigentümer nicht innerhalb eines Zeitraumes von etwa 10 Jahren einer allgemeinen Benützung eindeutig entgegengetreten seien. Dem Einwand, im Protokoll über eine Bauverhandlung vom 23. Juni 1961 sei von einem "Servitutsweg" die Rede, sei zu entgegnen, dass es seinerzeit verabsäumt worden sei, die bestandene öffentliche Gemeindestraße (Grundstück Nr. 743/2) "mittels Gemeinderatsbeschluss, Kundmachung und Verordnung aufzuheben". Daraus ergebe sich, dass die Auflassung des (gemeint: des fraglichen Teiles des) bereits seit ungefähr dem Jahr 1870 im Grundbuch eingetragenen Weges nie vom Gemeinderat beschlossen, auch nicht von der Aufsichtsbehörde bewilligt und ebenso wenig kundgemacht worden sei, sodass es sich beim Bienenweg nach wie vor um eine öffentliche Straße (Gemeindestraße) handle. Da das Grundstück Nr. 743/2 weiterhin als öffentliches Gut im Grundbuch aufscheine und der fragliche Teil des Weges die einzige Verbindung zwischen der Landesstraße und diesem öffentlichen Gut darstelle, sei davon auszugehen, dass es ausschließlich zur Verlegung der Trasse eines bereits vormals bestehenden öffentlichen Weges gekommen sei. Der Gemeingebrauch werde auch schon darin begründet, dass der Weg die einzige Zufahrtsstraße für die am Bienenweg wohnenden Personen und für bestimmte Anrainer darstelle. Es könne daher ein Gemeingebrauch nicht verneint werden. Der Umstand, dass die Gemeinde im Jahr 1995 die Auffassung vertreten habe, es handle sich beim Weg um eine Privatstraße, seit darauf zurückzuführen, "dass seinerzeit ein umfangreiches Ermittlungsverfahren nicht stattgefunden" habe.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach zusammengefasster Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe von Rechtsvorschriften aus, den in erster Instanz vernommenen Personen sei der Bienenweg ohnedies bekannt, sodass ein Ortsaugenschein entbehrlich gewesen sei. Darüber hinaus sei ein solcher Ortsaugenschein ohnedies im Berufungsverfahren durchgeführt worden. Eine Reihe von befragten Personen habe angegeben, den Weg seit vielen Jahren uneingeschränkt zu benützen (Hinweis auf bestimmte Aussagen). Wenn ein Teil dieser vernommenen Personen behauptet habe, über ein Fahrrecht zu verfügen, so sei zu dieser Aussage festzuhalten, "dass der jeweilige Servitutsgeber nicht angegeben werden konnte". Im Grundbuch seien keine Servitute eingetragen.
Der Umstand, dass an einem Weg Dienstbarkeiten zu seiner Benutzung bestünden, könne die Gemeinde nicht daran hindern, "eine Feststellung der Öffentlichkeit des Weges durchzuführen". Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Weg für eine Reihe von Anrainern die einzige mögliche Zufahrt zu ihrer Liegenschaft darstelle, wobei eine Anzahl von Wegbenutzern kein privatrechtlich gesichertes Zufahrtsrecht besitze. Für die Annahme eines dringenden Verkehrsbedürfnisses sei nicht erforderlich, dass das Interesse an einer Zufahrt über ein Anrainerinteresse hinausgehen müsste, es sei auch weder Voraussetzung, dass es sich bei der Straße um die einzige Verbindung mit einem bestimmten Ort handle, noch wäre dazu der Umstand hinderlich, dass diese Straße nur eine Funktion als Zufahrtsstraße erfülle. Diese Voraussetzungen lägen beim Bienenweg eindeutig vor. Eine Reihe von anrainenden Liegenschaften sei nur über den Bienenweg erreichbar. Der Weg diene auch als einzige Möglichkeit zur Erreichung bestimmter land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke.
Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass der Weg, wie sich aus der Befragung der Anrainer ergeben habe, in langjähriger Übung und unabhängig vom Willen der jeweiligen Grundstückseigentümer für ein dringendes "Verkehrsverhältnis" benutzt worden sei. Ein Weg könne unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 LStVG 1964 unabhängig vom Bestehen von Dienstbarkeiten bei Vorliegen der Voraussetzungen des zweiten Satzes dieses Absatzes zu einem öffentlichen Weg erklärt werden.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 8. März 2007, B 279/07-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird "Nichtigkeit", inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
"Nichtig" soll der angefochtene Bescheid deshalb sein, weil ihm eine Rechtsmittelbelehrung fehle, aus welcher ersichtlich sei, ob und in welcher Weise und in welcher Frist der Bescheid zu bekämpfen sei. Es ist zwar richtig, dass der angefochtene Bescheid diesen Mangel aufweist, weshalb er deshalb "nichtig" sein sollte, ist aber nicht ersichtlich. Das wenngleich rechtswidrige Fehlen der Rechtsbelehrung nach § 61a AVG (Möglichkeit der Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) verletzt keine Rechte der Partei (siehe dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, bei E 5 ff zu § 61a AVG wiedergegebene hg. Judikatur).
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Landes-Straßenverwaltungsgesetz, LGBl. Nr. 154/1964 - LStVG 1964, in der Fassung LGBl. Nr. 89/2002 anzuwenden.
Der im Beschwerdefall insbesondere maßgebliche § 2 Abs. 1 leg. cit. lautet:
"(1) Öffentliche Straßen sind im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden."
Bestehen Zweifel, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist oder in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch), entscheidet gemäß § 3 leg. cit. die Gemeinde auf Antrag oder von Amts wegen.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. hat der Entscheidung eine mündliche, mit einem Augenschein verbundene Verhandlung voranzugehen, deren Abhaltung ortsüblich zu verlautbaren ist und der sämtliche, dem Amt bekannte Beteiligte persönlich zu laden sind.
Vor dem Hintergrund des gegebenen Sachverhaltes zeichnen sich im Beschwerdefall zur Frage der Öffentlichkeit des betreffenden Wegteiles im Großen und Ganzen zwei Varianten ab (mit denkbaren Mischformen):
a) der Bienenweg war seit dem 19. Jhdt. eine öffentliche Straße (Gemeindestraße), wobei sich durch die Verlegung daran nichts geändert habe (das ist der Standpunkt der erstmitbeteiligten Partei und wurde auch von der Berufungsbehörde vertreten),
b) oder dass auf dem auf Privatgrund neu errichteten Wegteil eine Öffentlichkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 LGStVG 1964 nicht gegeben gewesen sei und allenfalls unter den Voraussetzungen des zweiten Falles dieser Gesetzesstelle (langjährige Übung unter den dort genannten Voraussetzungen) sich ergeben haben könnte (Letzteres wird von der Berufungsbehörde ebenfalls bejaht).
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid nur mit dem zweiten Fall des § 2 Abs. 1 leg. cit. befasst, ohne vergangenheitsbezogen auf einen bestimmten zeitlichen Horizont abzustellen; die erste Variante blieb im angefochtenen Bescheid ungeprüft.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides und die Überlegungen der belangten Behörde reichen aber zu einer abschließenden Beurteilung der Sache nicht aus: Unstrittig ist, dass der Bienenweg in seinem ursprünglichen Verlauf auf den 1961 neu gebildeten drei (später vier) Grundstücken nicht mehr besteht, sondern (tatsächlich) verlegt wurde und auf diesen Privatgrundstücken neu errichtet wurde (wobei nähere Feststellungen zu den Modalitäten der Errichtung und zu den Veränderungen im Verlauf fehlen; dem Akt ist nur zu entnehmen, dass diese tatsächliche Verlegung wohl nach dem Erwerb der neu gebildeten Grundstücke durch die neuen Eigentümer erfolgt sein dürfte, wobei sich ein Hinweis in den Akten findet, dass die Verlegung deshalb erfolgt sei, um die neu gebildeten Grundstücke zweckmäßig bebauen zu können). In den Akten gibt es auch keine Hinweise dahingehend, dass die Wegverbindung etwa nachhaltig unterbrochen worden wäre; vielmehr war es offensichtlich allen Beteiligten klar, dass die (vom Beginn des Weges aus gesehen) jeweiligen "hinterliegenden" Grundstückseigentümer einer entsprechende Wegverbindung zu ihren Grundstücken bedurften, weil ja der Bienenweg eine Sackgasse ist. Die Argumentation der Behörden des Verwaltungsverfahrens, es seien keine Wegedienstbarkeiten verbüchert, und es hätten auch keine entsprechenden Verträge vorgewiesen werden können, greifen aber zu kurz: Nach herrschender Auffassung bedürfen nämlich "offenkundige" Dienstbarkeiten keiner Verbücherung (siehe dazu Hofmann in Rummel ABGB 13, Rz 2 zu § 481 ABGB), und es kann im Beschwerdefall nicht fraglich sein, dass das Bestehen dieses Weges als "offenkundig" in diesem Sinne anzusehen ist. Ein entsprechender Servitutsvertrag kann auch konkludent (schlüssig im Sinne des § 863 ABGB) geschlossen werden (siehe dazu Hofmann, aaO Rz 1 zu § 480 ABGB; vgl. auch Rz 2 für den Fall der Teilung von Grundstücken; diese Grundsätze können auch im Beschwerdefall sinngemäß angewendet werden). Da, wie gesagt, davon auszugehen ist, dass die Benützung des neuen (verlegten) Wegteiles durch die "hinterliegenden" Liegenschaftseigentümer evidentermaßen weiterhin gegeben war, kommt als Rechtstitel für die Benützung des entsprechenden neu errichteten Wegteiles durch die jeweiligen "hinterliegenden" Liegenschaftseigentümer auch eine schlüssig zustande gekommene Vereinbarung über eine entsprechende Wegedienstbarkeit nicht nur in Betracht, dies ist vielmehr nahe liegend. Besteht eine entsprechende Wegedienstbarkeit, wird damit dem "dringenden Verkehrsbedürfnis" der "hinterliegenden" Liegenschaftseigentümer entsprochen. Auf Grund dessen kann bei der gegebenen Verfahrenslage und den Feststellungen der belangten Behörde (sowie des unstrittigen Sachverhaltes) nicht davon ausgegangen werden, dass das fragliche Wegstück zur Befriedigung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses "unabhängig vom Willen des Grundeigentümers" (unabhängig vom Willen der jeweiligen Grundeigentümer der ursprünglich drei, nun vier Grundstücke, über die der neue Wegteil verläuft) benützt worden wäre (weil die auch stillschweigende Begründung einer Wegedienstbarkeit nicht unabhängig vom Willen des Grundeigentümers erfolgen kann).
Die Berufungsbehörde hat aber auch damit argumentiert, dass der Bienenweg im fraglichen Bereich verlegt, aber nicht aufgelassen worden wäre, denn es sei verabsäumt worden, den entsprechenden Wegteil "mittels Gemeinderatsbeschluss, Kundmachung und Verordnung aufzuheben". Die belangte Behörde hat sich hiemit, wie zuvor dargelegt, nicht befasst. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auf Folgendes zu verweisen:
Die Berufungsbehörde hat sich dabei erkennbar auf § 8 Abs. 3 LStVG 1964 bezogen, wonach die Einreihung, Neuanlage, Verlegung, der Umbau, die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung sowie die Auflassung einer Gemeindestraße durch Verordnung der Gemeinde erfolgt. Allerdings gilt diese Fassung erst seit der Novelle LGBl. Nr. 195/1969. Die Bildung der neuen Grundstücke erfolgte 1961, auch deren Verkauf. Damals galt das am 1. April 1938 in Kraft getretene Landes-Straßenverwaltungsgesetz, LGBl. Nr. 20/1938, idF LGBl. Nr. 49/1954 (das dann in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 202/1963 als LGStVG 1964 wiederverlautbart wurde). Nach § 8 Abs. 3 LGStVG 1938 (1962 noch in der Stammfassung) beschloss der "Gemeindetag" die Einreihung (Erklärung), Neuanlage, Verlegung, den Umbau, die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung sowie die Auflassung einer Gemeindestraße. Der rechtskräftige Beschluss des Gemeindetages war der Landesregierung sofort zur Kenntnis zu bringen. Mit der Novelle LBGl. Nr. 202/1963 (vom 14. Mai 1963) wurde im § 8 Abs. 3 leg. cit. das Wort "Gemeindetag" durch das Wort "Gemeinderat" ersetzt, und der zweite Satz hatte zu entfallen. In dieser Fassung erfolgte die Wiederverlautbarung. Mit der Novelle LGBl. Nr. 195/1969 erhielt § 8 Abs. 3 leg. cit. seine nunmehrige Fassung. Daraus ist festzuhalten, dass bis zum Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 195/1969 eine Verordnung nicht erforderlich war, und im § 8 Abs. 3 leg. cit. für die Verlegung, den Umbau und die Auflassung die selben Voraussetzungen galten (Beschluss des Gemeinderates). Im Hinblick auf die gebotene zeitraumbezogene Betrachtung ist daher aus dem Fehlen einer Verordnung über die Auflassung dieses Teiles der Gemeindestraße noch nicht zwingend abzuleiten, dass eine solche Auflassung nicht stattgefunden hätte; umgekehrt bedeutet der Umstand, dass es - angeblich - keine Beschlussfassung des Gemeinderates über die Auflassung dieses Straßenteiles gegeben habe (welche Anstrengungen unternommen wurden, dies ausfindig zu machen, wurde nicht dargelegt), nicht, dass die Verlegung auf Grund eines Beschlusses des Gemeinderates erfolgt wäre. Der Argumentation im Berufungsbescheid, die Gemeinde habe es "seinerzeit" verabsäumt, den am westlichen Grundstücksrand der neu gebildeten Grundstücke neu errichteten Bienenweg vermessen zu lassen und wiederum als öffentliches Gut auszuscheiden, ist zu entgegnen, dass nicht dargelegt wird, wie dies konkret ohne vertragliche Einigung mit den Eigentümern der neu gebildeten Grundstücke hätte erfolgen sollen. Die neuen Grundstücke waren ja gerade in der Weise gebildet worden, dass die Wegparzelle in diesem Bereich aufgelassen wurde.
Zusammenfassend reicht der festgestellte (auch in Verbindung mit dem unstrittigen) Sachverhalt im Beschwerdefall nicht aus, um daraus die Frage der Öffentlichkeit des gegenständlichen Wegteiles abschließend beurteilen zu können.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies (und die Beurteilungskriterien) verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Vor diesem Hintergrund konnte die Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten mündlichen Verhandlung unterbleiben, zumal der Antrag verspätet, nämlich erst im Verbesserungsschriftsatz gestellt wurde (siehe dazu die in Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 540 wiedergegebene hg. Judikatur).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Dezember 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007060082.X00Im RIS seit
13.02.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008