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L55004 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Oberösterreich;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie den Senatspräsidenten Dr. Novak und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des M G in Wien, vertreten durch Dr. Erich Proksch , Rechtsanwalt in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juli 2002, Zl. N- 104933/7-2002-Pin/Hu, betreffend Feststellung nach dem Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Antrages auf bescheidmäßige Feststellung gemäß § 9 Abs. 1 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001, LGBl. Nr. 129 (OöNatSchG 2001), dass durch die beantragte Errichtung einer 8 m langen und 2 m breiten Steganlage in den Attersee auf bzw. vor dem Grundstück Nr. 8../1 der KG S. solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden, abgewiesen.
Nach Wiedergabe der anzuwendenden Rechtsvorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung sowie des Wortlauts eines im Berufungsverfahrens eingeholten Gutachtens des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz führte die belangte Behörde begründend aus, das lokale Landschaftsbild werde in erster Linie durch die ausgedehnte Wasserfläche des Attersees im Westen und die lockere Bebauung (Einfamilienhäuser) inmitten der von Wiesen und Kleinbaumbeständen, Einzelbäumen und Zaunhecken bestandenen Grundstücke im unmittelbaren Seeuferbereich geprägt. Auf Grund der vorhandenen flachen Landzunge im Bereich der Mündung des K.-Baches und der nach Nordosten hin verlaufenden Uferkrümmung nördlich des gegenständlichen Grundstückes sowie des vorhandenen Ufergehölzsaumes seien die Sichtbeziehungen nach Norden und Süden vom Uferbereich des Grundstückes Nr. 8../1 der KG S. aus betrachtet eingeschränkt. Auf Grund der Krümmung der Uferzone seien die weiter nördlichen und südlichen Uferbereiche der näheren Umgebung von der Uferzone des gegenständlichen Grundstückes aus betrachtet nicht einsichtig. Es ergebe sich somit ein in Bezug auf den östlichen Seeuferbereich optisch begrenzter Raum. Die Uferzone sowohl dieses Grundstückes als auch der im Norden angrenzenden Grundstücke präsentiere sich zwar nicht als naturbelassener Seeuferbereich, hebe sich aber auf Grund seiner vergleichsweise anthropogenen Überformung von den wesentlich intensiver genutzten Bereichen im Norden (Campingplatz mit ausgedehnter Bootsanlegestelle) und Süden (Strandbad) ab. Zwar seien die Ufer des rund 150 bis 170 m langen Uferabschnittes großteils mittels Böschungsmauern unterschiedlicher Ausprägung verbaut und auch die Vegetation der Uferzone entspreche nicht derjenigen einer naturbelassenen Seeufervegetation, dennoch vermittle dieser Bereich auf Grund der landeinwärts um etwa 40 bis 50 m zurückgesetzten Verbauung und der durch biogene Faktoren wie Ufergehölz und Wiesenflächen dominierten Uferzone den Eindruck einer nur extensiv genutzten Landschaft.
Der Steg würde trotz der bereits vorhandenen und als gegenständlich zu betrachtenden Eingriffe in dieser Uferzone (Uferzonenverbauung, Landnutzung in Form von Erholungsflächen, Stege als Altbestand) als optisch markant wahrnehmbarer, das lokale Landschaftsbild deutlich negativ beeinflussender Faktor zu werten sein. Dies auf Grund seiner geometrischen Form, der auf Grund der Dimensionierung und Formgebung deutlich von natürlichen oder naturnahen biogenen Strukturen unterscheidbar sei. Der Steg sei jedenfalls als Fremdkörper über der Wasseroberfläche wahrnehmbar, wobei vor allem die exponierte Lage den Steg als markanten Eingriff in das lokale Landschaftsbild wirken lasse. Im Vergleich zu den bereits vorhandenen Ufermauern oder Seeeinstiegen hebe sich der Steg wesentlich deutlicher als optisch wahrnehmbarer Fremdkörper in der Seeufer- und Flachwasserzone ab als die vorhandenen Uferverbauungen. Dies werde durch die Tatsache verstärkt, dass sich der gegenständliche Steg an einer Stelle des Ufers befinde, die im Bezug auf das lokale Landschaftsbild noch verhältnismäßig geringfügig belastet sei. Es käme durch den Steg zu einer weiteren Verdichtung der Einbauten bzw. Eingriffe in der Seeuferzone. Im Hinblick auf das Gutachten des Amtssachverständigen könne nicht bezweifelt werden, dass es sich beim gegenständlichen Steg um einen Eingriff in das Landschaftsbild gemäß § 9 OöNatSchG 2001 handle, der geeignet sei, dieses Landschaftsbild maßgeblich zu verändern. An dieser Qualifikation könne auch das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Argument, wonach sich im näheren Bereich seines Grundstückes gleichgelagerte Einbauten befänden, nichts ändern, da es für die Anwendung der genannten Bestimmung ohne Belang sei, ob der Uferabschnitt noch eine unberührte Landschaft darstelle oder ob hier bereits zahlreiche Eingriffe erfolgt seien. Es komme auch nicht darauf an, ob ein Eingriff ein "störender" sei. Für die Qualifikation als maßgeblicher Eingriff in das Landschaftsbild sei nicht entscheidend, aus welchem Winkel oder unter welchen sonstigen Umständen der Steg einsehbar sei. Unter Landschaftsbild sei das Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu verstehen. Es sei daher auch zulässig, das betreffende Seegrundstück auch vom dazugehörigen Landgrundstück aus zu betrachten. Eine Verpflichtung, dass der Sachverständige das Grundstück aus einer entsprechenden Entfernung hätte fotografieren müssen, lasse sich aus der genannten Bestimmung nicht ableiten.
Nach Vorliegen der Bejahung des Eingriffs sei in weiterer Folge abzuwägen gewesen, ob durch den Eingriff öffentliche Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes verletzt würden, die höher zu bewerten seien als alle anderen Interessen. Dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes im Seeuferbereich komme dabei nach Auffassung der belangten Behörde eine sehr hohe Wertigkeit zu, insbesondere im Hinblick darauf, dass jede Bebauung der Seeufer einen nicht wiedergutzumachender Verlust des Erholungswertes der Seeuferlandschaft für die Zukunft bedeute. Es müssten daher massive andere Interessen vorliegen, damit diese geeignet seien, die öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes zu überwiegen. Das private Interesse des Beschwerdeführers liege darin, den geplanten Steg für sich und eventuell Angehörige und Freunde für Freizeit- und Erholungszwecke im Rahmen der Nutzung des Seeufergrundstückes zu verwenden. Darüber hinaus sei beabsichtigt, Teile des Hauses an Sommergäste zu vermieten, sodass auch ein öffentliches Interesse an einer touristischen Nutzung vorgebracht worden sei. Diese Interessen seien jedoch nicht geeignet, dem schwerwiegenden öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes auch nur gleichwertig zu sein, da eine Verwendung des Grundstückes für Erholungszwecke oder für touristische Zwecke auch ohne den beantragten Steg möglich sei. Auch das Unterbleiben der Verstärkung einer Eingriffswirkung, also die Vermeidung von weiteren Belastungen, sei im öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes gelegen.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. November 2002, B 1354/02, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 OöNatSchG 2001 ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild und im Grünland (§ 3 Z 6) in den Naturhaushalt an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.
Nach § 3 Z 2 OöNatSchG 2001 ist unter einem Eingriff in das Landschaftsbild (§ 3 Z 8) eine Maßnahme von nicht nur vorübergehender Dauer, die zufolge ihres optischen Eindruckes das Landschaftsbild maßgeblich verändert, zu verstehen.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, der Anregung des Beschwerdeführers zu folgen, die Aufhebung der zitierten Vorschriften beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Die Annahme der Beschwerde, dass die Vorschriften inhaltlich nicht ausreichend bestimmt wären, weil es im "alleinigen (willkürlichen) Ermessen" der Behörde liege, ob eine maßgebliche Veränderung des Landschaftsbildes vorliege, trifft nicht zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 12. September 2005, Zl. 2003/10/0004, mit Hinweis auf Vorjudikatur). Im Übrigen ist auf den bereits genannten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 2002 zu verweisen, in dem dieser bereits einer entsprechenden Anregung des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist.
Die Beschwerde ist allerdings mit ihrer Auffassung im Recht, die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Begründung könne die Annahme der Behörde, der beantragte Steg bewirke eine maßgebliche Veränderung des optischen Eindruckes der Landschaft, nicht tragen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu den zitierten Bestimmungen des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001 ausgesprochen hat, ist es für die Bejahung einer maßgeblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes in einem Bereich, der schon durch verschiedene anthropogene Projekte belastet ist, von ausschlaggebender Bedeutung, ob durch die beantragte Maßnahme (hier: Badesteg) eine derartige "zusätzliche Verdichtung" künstlicher Faktoren in der Landschaft bewirkt werde, die zu einer "neuen Prägung des Landschaftsbildes" führen würde (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. November 2006, Zl. 2003/10/0239, mwH).
Die Annahme eines nach § 9 OöNatSchG 2001 unzulässigen Eingriffes in das Landschaftsbild setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass durch die betreffende Maßnahme der optische Eindruck des Bildes der Landschaftsbild maßgebend verändert wird. Entscheidend ist dabei, inwieweit das aktuelle, durch eine Vielzahl von (der Entfernung nicht oder nicht mehr unterliegenden) Merkmalen geprägte Bild der Landschaft infolge Hinzutretens der beantragten Maßnahme optisch verändert wird.
Um hier von einer maßgebenden Veränderung sprechen zu können, ist es notwendig, dass die Maßnahme im "neuen" Bild der Landschaft prägend in Erscheinung tritt. Fällt ihr Einfluss auf das Bild der Landschaft jedoch wegen seiner untergeordneten Bedeutung nicht ins Gewicht, so vermag die Maßnahme das Landschaftsbild auch nicht maßgebend zu verändern (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 22. November 2006).
Mit dieser Frage haben sich weder das von der belangten Behörde zugrunde gelegte Gutachten, noch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auseinandergesetzt.
Mangels konkreter (Entfernungs-)Angaben betreffend die Situierung rechtmäßig bestehender Anlagen im fraglichen Gebiet kann nicht beurteilt werden, ob es durch die Errichtung der geplanten Anlage zu einer maßgeblichen Verdichtung oder Ausweitung des durch antropogene Nutzung geprägten Landschaftsbereiches käme.
Der Hinweis, wonach auf Grund der Krümmung der Uferzone die weiter nördlichen und südlichen Uferbereiche der näheren Umgebung von der Uferzone des gegenständlichen Grundstückes aus betrachtet nicht einsichtig seien, weshalb sich somit in Bezug auf den östlichen Seeuferbereich ein "optisch begrenzter Raum" ergebe, ist gleichfalls nicht geeignet, die Beurteilung einer maßgeblichen Veränderung des Landschaftsbildes zu tragen; ist doch nicht zu sehen, inwieweit das Fehlen einer Steganlage vor dem Grundstück des Beschwerdeführers ein das Bild der Landschaft derart prägender Faktor wäre, dass dessen Verlust entscheidende, weil das neue Bild maßgeblich bestimmende Bedeutung besäße.
Die Beurteilung, der beantragte Badesteg stelle einen Eingriff in das Landschaftsbild im Sinne des § 3 Z 2 OöNatSchG 2001dar, beruht somit nicht auf einer mängelfreien Grundlage. Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem im Ergebnis anderen Bescheid gelangt wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG. Er war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II, Nr. 333.
Wien, am 14. März 2008
Schlagworte
Ermessen besondere Rechtsgebiete Ermessen VwRallg8 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Ermessen Auslegung Diverses VwRallg3/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2003100005.X00Im RIS seit
28.04.2008Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008