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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §55 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des D R, (geboren am 25. Dezember 1974), vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Oktober 2007, Zl. E1/138.607/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. In dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Oktober 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Aktenkundig sei, dass mit Bescheid der Erstbehörde vom 24. Juli 1997 gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden und er in die Heimat abgeschoben worden sei. Mit einem Visum C sei er im August 2003 wieder nach Österreich eingereist, er habe wenig später eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und Niederlassungsbewilligungen erteilt erhalten.
Am 14. September 2006 sei der Beschwerdeführer festgenommen worden, nachdem er in Wien zuvor eine Bank überfallen hätte. Einer Angestellten habe er ein Küchenmesser entgegengehalten und sie aufgefordert, ihm Bargeld in der Höhe von mehr als EUR 14.000,-- auszuhändigen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Dezember 2006 sei der Beschwerdeführer nach §§ 142, 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden.
Dieses Urteil erfülle nicht nur den in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierten Tatbestand, das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten stelle auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grund des § 87 leg. cit. gegeben gewesen seien.
Der Beschwerdeführer sei (wie dargestellt) verheiratet, sonstige familiäre Bindungen bestünden zu einer Tochter aus einer Vorehe, die mit ihrer Mutter und deren Familie in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Habe der Beschwerdeführer noch in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 20. September 2006 angegeben, keine Sorgepflichten zu haben, sei in der Berufung geltend gemacht worden, dass er monatlich Unterhalt für seine Tochter leisten würde. Zweifelsfrei sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, zum Schutz der Eigentums und der körperlichen Unversehrtheit Dritter - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, gerade drei Jahre in Österreich niedergelassen sei und dann hier im dargestellten Ausmaß straffällig werde, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Solcherart sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose auch für den Zeitpunkt der zu erwartenden Haftentlassung nicht möglich. Es könne kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.
Bei der gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit vorzunehmenden Interessensabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese wiege jedoch keinesfalls schwer, sei doch zu bedenken, dass die einer jeglichen Integration zugrundeliegende soziale Komponente durch das dargestellte strafbare Verhalten erheblich an Gewicht gemindert werde. Was die familiären Bindungen des Beschwerdeführers betreffe, so sei dieser (der derzeit seine Strafhaft verbüße) an der Wohnung seiner Ehefrau seit mehr als einem Jahr nicht mehr gemeldet. An seinem nunmehrigen Hauptwohnsitz in Wien 2 scheine er als alleine wohnhaft auf. Seine familiären Bindungen zu seiner Tochter würden insofern relativiert, als dem Beschwerdeführer für diese offenbar kein Sorgerecht zukomme. Sonstige familiäre Bindungen bestünden nicht. Das dem Beschwerdeführer sohin insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet sei solcher Art zwar nicht gering, keinesfalls jedoch besonders ausgeprägt. Dem gegenüber stehe das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen. Bei Abwägung dieser Interessenslagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe. Dabei habe die belangte Behörde auch bedacht, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seinen Familienangehörigen (wenn auch eingeschränkt) vom Ausland aus wahrhaben könne, eine Einschränkung, die er im öffentlichen Interesse zu tragen haben werde. Auch könne er seinen Sorgepflichten vom Ausland aus nachkommen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch iSd § 66 Abs. 2 FPG als zulässig. Die Einvernahme des geltend gemachten Zeugen zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer nur mehr rudimentäre Bindungen zu seinem Herkunftsland hätte sowie dass sich der engste Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis in Österreich befände, sei erläßlich gewesen, weil diese Angaben von der belangten Behörde (soweit sie relevant gewesen seien) nicht in Zweifel gezogen und auch entsprechend berücksichtigt worden seien.
Ein Sachverhalt gemäß § 61 FPG sei nicht gegeben gewesen. Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung dazu gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Eine solche Ermessungsübung würde auch angesichts der Höhe der verhängten Freiheitsstrafe mit dem Sinn des Gesetzes nicht in Übereinstimmung stehen.
Da der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung unbekämpft geblieben sei, sei darauf nicht weiter einzugehen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht sei, unbekämpft. In Anbetracht der im angefochtenen Bescheid genannten (rechtskräftigen) Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann, kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0111, mwH). In Anbetracht der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FPG erfüllt. Für die Beantwortung der Frage, ob die im § 87 iVm § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftat und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis Zl. 2006/18/0111).
Der Beschwerdeführer hat nach den insoweit unstrittigen Feststellungen in Wien eine Bank überfallen, wobei er einer Angestellten ein Küchenmesser entgegengehalten und sie aufgefordert hat, ihm den im angefochtenen Bescheid genannten Bargeldbetrag auszuhändigen. Dieses Fehlverhalten bildet einen klaren Grund für die Annahme, dass vom Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige oder erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dem Einwand, der Beschwerdeführer habe die Tat "aus Verzweiflung und im Zug einer emotionalen Überreaktion" gesetzt, ist entgegenzuhalten, dass sein Fehlverhalten mit der besagten rechtskräftigen Verurteilung bindend feststeht (vgl. aus der hg. Rechtsprechung das Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Auch wenn sich der Beschwerdeführer (behauptetermaßen) seit 2003 bis zu seiner Straftat in Österreich wohlverhalten hat, zeigt dieses Fehlverhalten, dass er sich nicht scheut, bei Situationen der angesprochenen Art, die immer wieder auftreten können, zur Erreichung eines von ihm verfolgten Ziels Gewalt anzuwenden. Die Straftat liegt auch noch nicht solange zurück, dass von einer Minderung oder gar einem gänzlichen Wegfall der durch ihn ausgehenden Gefahr ausgesprochen werden könne, zumal der Beschwerdeführer auf Grundlage seines Vorbringens jedenfalls den überwiegenden Teil des seither verstrichenen Zeitraums in Haft zugebracht hat, was nicht als eine Zeit des Wohlverhaltens betrachtet werden kann. Mit seinem Vorbringen, dass er vom Strafgericht zu nicht einmal einem Drittel des höchstzulässigen Strafsatzes verurteilt, sondern die Mindeststrafe gemäß § 41a StGB sogar noch unterschritten worden sei, und dass bei der Strafbemessung auch keine erschwerenden Umstände, sondern vielmehr die bisherige Unbescholtenheit und das Geständnis des Beschwerdeführers ins Gewicht gefallen seien, übersieht der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung eigenständig auf dem Boden des FPG und unabhängig von den strafgerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung zu treffen hatte (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, Zl. 2006/18/0438, mwH). Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig gesehen werden, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall die Annahme gemäß § 87 iVm § § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG als gerechtfertigt annahm.
3. Bei der Interessensabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit August 2003 und seine Bindungen zu seiner österreichischen Ehefrau sowie zu seiner in Österreich aufhältigen Tochter aus einer früheren Ehe berücksichtigt und zu Recht einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat jedoch - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend die Auffassung vertreten, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein gravierendes Fehlverhalten die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und am Schutz der Rechte anderer, insbesondere am Eigentum und an der körperlichen Integrität, erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung dieses großen öffentlichen Interesses an der Beendigung seines Aufenthalts ist ferner das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung nicht zu beanstanden. Die Integration des Beschwerdeführers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch seine gravierende Straftat eine entscheidenden Beeinträchtigung erfahren. Dass sich der Beschwerdeführer bislang in Österreich rechtmäßig aufgehalten hat und hier nicht nur über eine Unterkunft, sondern auch über ausreichende Unterhaltsmittel verfügt hat, vermag die gegen die Erlassung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen sprechenden persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich zu verstärken. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts des seit 2003 noch nicht langen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet hat die belangte Behörde zu Recht der durch seine Straftat in Österreich bewirkten Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie.
4. Auf Grund der Verurteilung iSd § 55 Abs. 3 FPG kommt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots aus den im hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0066, dargelegten Gründen nicht in Betracht.
5. Vor diesem Hintergrund erweist sich das Vorbringen in der Beschwerde, die belangte Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend festgestellt und den angefochtenen Bescheid nicht hinreichend begründet, als nicht zielführend.
6. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007180849.X00Im RIS seit
10.06.2008Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009