TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/10 2006/05/0177

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Veröffentlicht am 10.09.2008
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Index

L85003 Straßen Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
B-VG Art132;
LStG NÖ 1999 §12;
LStG NÖ 1999 §13;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und den Senatspräsidenten Dr. Kail sowie die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. des Ing. F E und 2. der A E, beide in Bad Pirawarth, beide vertreten durch Dr. Erich Proksch, Dr. Wolfram Proksch und Dr. Thomas Fritzsche, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde Bad Pirawarth, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Niederösterreichischen Landesstraßengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Pirawarth vom 7. August 2001, Zl. 131-9-Str/Bahnhof-Siedlg./2001-3, wird gemäß § 42 Abs. 4 letzter Satz VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid wird dahingehend ergänzt, dass die Straße gemäß Punkt 3.63 (Bautechnische Details - Oberbaubemessung) der Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS), Stand Mai 2005, ausgearbeitet von der Österreichischen Forschungsgemeinschaft Straße und Verkehr im Zusammenwirken mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, der ASFINAG und den Landesbaudirektionen der Bundesländer, für Bundesstraßen verbindlich erklärt mit Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovationen und Technologie vom 15. April 2005, Zl. 300.041/0018-II/ST-ALG/2005, auszuführen ist.

Die Marktgemeinde Bad Pirawarth hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 675,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.1. Mit Eingabe vom 30. April 2001 beantragte die Marktgemeinde Bad Pirawarth die Erteilung einer Bewilligung für die Neuanlage einer Gemeindestraße auf den Grundstücken Nr. 2705/1 und 4973/1, KG Pirawarth.

Den Einreichunterlagen ist folgender "technischer Bericht" angeschlossen:

"Das noch im konstruktiven Bereich des Straßenaufbaues befindliche und noch nicht ausgekofferte anstehende Bodenmaterial wird auf die erforderliche Konstruktionsunterkante abgegraben und entfernt.

Anschließend erfolgt nach Herstellung des Unterbauplanums die Verlegung eines Straßenbauvlieses aus Gründen der Stabilität.

Im Anschluß daran wird mit geeignetem Schüttmaterial die notwendige Niveauanhebung bis zur Unterkante des Straßenoberbaues durchgeführt.

Der konstruktive Aufbau der Straße erfolgt durch Aufbringung von:

1.

30 cm Frostschutzschichte

2.

10 cm Obere Tragschichte aus Kantkorn

3.

10 cm Bit. Kiestragschichte BT II/22

4.

3 cm Asphaltverschleißdecke AB 8

Die Fahrbahnbreite beträgt lt. Lageplan mind. 6,00 m1 (von Randstein zu Randstein).

Im Bereich der Grundstücke Nr. 2705/31, 2705/32 und 2636/2 wird die Straße entlang des Weidenbachs mit einer Breite von 5,75 m1 ausgeführt.

Gehsteige werden generell mit einer Mindestbreite von 1,25 m1 hergestellt.

Die Oberflächenwässer werden durch Ausbildung von Quer- und Längsneigungen zu Regenwassereinlaufschächten geführt und über diese in den Regenwasserkanal eingeleitet.

Im übrigen wird auf die Projektspläne K 00057/7d, K 00057/8d, K 00057/9d und K 00057/10b verwiesen."

Nach den Einreichunterlagen (soweit hier wesentlich) zweigt die geplante Straße von einer bestehenden, von Westen nach Osten führenden Straße in Richtung Norden und dann nordöstlich verlaufend ab. Westlich der Einmündung der geplanten Straße in die bestehende Straße befindet sich ein Eisenbahnübergang über die bestehende Straße. Östlich der Einmündung und nordöstlich der bestehenden Straße befindet sich das Grundstück der Beschwerdeführer Nr. 2633, im Wesentlichen parallel zu dem hier relevanten Straßenabschnitt der geplanten Straße gelegen. Zwischen dem geplanten Straßenbauvorhaben und dem Grundstück der Beschwerdeführer Nr. 2633 liegt das Grundstück Nr. 2636/1, streifenförmig in Richtung der geplanten Straßenführung gegen Nordosten verlaufend. Dieses Grundstück weist eine Breite von ca. 10 m auf. Von der geplanten Straße aus gesehen befindet sich von der Grenze des Grundstückes Nr. 2633 bis zur Außenmauer des darauf befindlichen Gebäudes noch ein unbebauter Teil des Grundstückes Nr. 2633 mit einer Breite von ca. 5 m. Im Bereich der Straßeneinmündung grenzt die Liegenschaft der Beschwerdeführer an jene der geplanten Straße.

I.2. Aus dem Bauakt betreffend das Grundstück der Beschwerdeführer ergibt sich, dass diese am 24. November 1969 um Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses angesucht haben. Nach der Baubeschreibung sollte dieses Wohnhaus aus Keller-, Erd- und Obergeschoss bestehen. Die Fundamente würden aus Stampfbeton hergestellt und auf frostfreie Tiefe geführt. Die Kelleraußenmauern würden aus 40 cm starken Schalungssteinen errichtet. Die Außen- und Mittelmauern im Erd- und Obergeschoss würden aus NF-Ziegeln in KZM hergestellt. Die Trennwände würden aus 7 bzw. 10 cm st. DÜWA-Steinen errichtet. Die Decken über sämtlichen Geschossen würden aus Fertigteilen hergestellt. Der Dachstuhl werde als Satteldach ausgebildet und für eine Welleterniteindeckung vorgesehen. Der Dachboden sei über eine Patenttreppe erreichbar. Nach dem Bauplan ist ein Teil des Gebäudes nicht unterkellert, der von der bestehenden Straße aus gesehen an der linken Gebäudeseite liegt; der nicht unterkellerte Raum im Erdgeschoß ist als "Einfahrt" bezeichnet.

In der Niederschrift über die über dieses Bauansuchen durchgeführte Verhandlung vom 15. Dezember 1969 ist u. a. festgehalten, dass das Niveau (Fußboden des Erdgeschosses) 1,5 m über dem anschließenden Gehsteigniveau zu liegen komme. Die Bauwerber würden darauf aufmerksam gemacht, dass der Baugrund sehr sumpfig und dies bei der Bauausführung besonders zu berücksichtigen sei. Es werde daher gestattet, das Niveau entsprechend zu ändern.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Pirawarth vom 15. Dezember 1969 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.

In der Niederschrift über die Verhandlung betreffend die Benützungsbewilligung vom 17. Dezember 1976 ist festgehalten, dass der Bau planmäßig ausgeführt worden sei. Die Besichtigung durch den Bausachverständigen Baumeister S. habe keine Beanstandung ergeben.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Pirawarth vom 17. Dezember 1976 wurde die Benützungsbewilligung erteilt.

Des Weiteren befindet sich im Bauakt ein Bauansuchen vom 22. Juli 1982 betreffend den Zubau einer Veranda und die Errichtung einer (baulich nicht mit dem Wohnhaus verbundenen, eigenständigen) Garage, an der linken Grundgrenze von der bestehenden Straße aus gesehen. Die diesbezügliche Baubewilligung wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Pirawarth vom 5. Oktober 1982 erteilt. Dagegen hat die Nachbarin B. Berufung erhoben. Nach dem Bauakt wurde über diese Berufung nicht entschieden, sodass offenbar die Baubewilligung für den Zubau und diese Garage nicht in Rechtskraft erwachsen ist.

I.3. Über das hier gegenständliche Ansuchen betreffend die Bewilligung für eine Gemeindestraße fand am 1. Juni 2001 eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführer erhoben bei dieser Verhandlung Einwendungen hinsichtlich der Sicherheit der Einmündung neben ihrem Haus und der Gasleitung, ferner der Erschütterungen beim Straßenbau im gegebenen sumpfigen Gelände, des Lärms, der Standsicherheit ihres Wohnhauses, des Staubes und aus sonstigen Gründen des Immissionsschutzes. In einer schriftlichen Eingabe, die sie dem Verhandlungsleiter während der Verhandlung aushändigten, wiesen sie darauf hin, dass sie bereits am 19. April 2000 in einem Schreiben an die Gemeinde ausführlich dargetan hätten, dass der Baugrund besonders sumpfig sei und die Neuerrichtung einer Straße neben ihrem Grundstück die Standsicherheit ihres Hauses und auch die dahin führende Gasleitung schwer gefährde.

Der verkehrstechnische Amtssachverständige erklärte in seinem während der Verhandlung abgegebenen Gutachten, es sei anlässlich des Ortsaugenscheins insbesondere darauf hingewiesen worden, dass das Gelände sumpfig sei. Während des Ortsaugenscheins sei die Oberfläche trocken gewesen, Baugruben oder Schächte, in denen das Grundwasser zu sehen gewesen wäre, seien nicht vorhanden gewesen. Laut Einreichunterlagen sei der Grundwasserspiegel im Oktober 2000 an insgesamt sieben Messpunkten jeweils etwa 3 m unter dem natürlichen Niveau gelegen. Aus verkehrstechnischer Sicht entspreche das vorliegende Projekt den Anforderungen des § 12 Abs. 2 NÖ Straßengesetz.

In der Folge hat die Marktgemeinde Bad Pirawarth das Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen B. des NÖ Gebietsbauamtes I - Korneuburg vom 17. Juli 2001 eingeholt. In diesem Gutachten wurde ausgeführt, zwischen dem geplanten Vorhaben und dem Grundstück der Beschwerdeführer bzw. dem darauf befindlichen Wohngebäude befinde sich ein Grundstücksstreifen Parz. Nr. 2636/1, der am Tag der Besichtigung mit einem Bewuchs ("Landwirtschaftliche Nutzung") versehen gewesen sei. Dieses Grundstück weise eine Längsneigung in Richtung der geplanten Straßenführung gegen Nordosten auf. Dieser Grundstreifen habe eine Breite von ca. 10 m und grenze an die Gartenmauer des Grundstückes der Beschwerdeführer. Die Oberflächenentwässerung des Grundstücksstreifens erfolge nicht in Richtung des Gebäudes der Beschwerdeführer, sondern in Richtung der geplanten Straßenführung gegen Nordosten, sodass daher bei Regen keine direkte Wasserzuleitung zum Gebäude bzw. der Grundfläche der Anrainer durch abfließendes Oberflächenwasser zu erwarten sei. Weiters sei auch keine Rückstauwirkung oder kurzfristige Bildung von Oberflächenwasserrückstauflächen zu erwarten. Eine übermäßige Durchfeuchtung des Grundstückes durch Pfützen oder Teichbildung sei nicht erkennbar. Der Abstand des Gebäudes der Beschwerdeführer zu einer bestehenden südwestlichen Gemeindestraße weise an der engsten Stelle ein Maß von ca. 7 m auf. Das Gebäude der Beschwerdeführer mache von außen einen standsicheren Eindruck, und es seien an der straßenseitigen Fassade keine die Standsicherheit beeinträchtigenden Rissbildungen oder Gebäudeverformungen erkennbar. Unter der Voraussetzung, dass das Gebäude der Beschwerdeführer einen baubehördlichen Konsens im Sinne der NÖ Bauordnung besitze und entsprechend diesem Konsens im Hinblick auf Standsicherheit und Tragfähigkeit errichtet worden sei, könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass durch die Errichtung, den Bestand sowie die Nutzung der neuen Siedlungsstraße keine zusätzlichen negativen Auswirkungen für die Standsicherheit und Trockenheit der Bauwerke der Beschwerdeführer entstehen. Grundlage dieser Feststellungen bildeten die durchgeführten Bodenuntersuchungen, aus denen hervorgehe, dass das Bauvorhaben nicht in grundwasserführende Schichten (laut Verhandlungsschrift und Stellungnahme ca. 3 m unter Geländeniveau) eindringe und auch keine dieses Grundwasserniveau beeinträchtigenden Maßnahmen wie Trockenlegungen oder Grundwasseraufstauungen geplant, vorgesehen oder zu erwarten seien. Weiters sei aus den Bodenuntersuchungen ein homogener Untergrundaufbau abzuleiten, der keine Veränderungen vermuten lasse. Dieser Untergrund sei, wie durch die in diesem Bereich bereits vorhandenen Bauwerke erkennbar, soweit standfest, dass er unter Berücksichtigung seiner Eigenschaften als Baugrund verwendbar und geeignet sei. Die zu erwartende Verkehrsbelastung sei zumindest keine höhere als die auf der bereits im Nahebereich von ca. 7 m vorhandenen Gemeindestraße. Diesen Belastungen halte das gegenständliche Gebäude jedoch zur Zeit schadensfrei stand (Gegenteiliges sei dem Gutachter nicht bekannt und auch optisch nicht erkennbar). Da die neue Straße einen Abstand von ca. 10 m zur Grundgrenze bzw. von ca. 15 m zum Gebäude aufweisen werde, sei auch auf Grund der größeren Entfernung eine negative Auswirkung nicht zu erwarten. Weiters seien auch auf Grund der Bodenuntersuchungen keine massiven erschütterungs- und schwingungsübertragenden Schichten (wie Fels oder Ähnliches) erkennbar, die eine für die Bauwerke negative Schwingungs- bzw. Vibrationsübertragung erwarten ließen. Lediglich bei der Errichtung der Straße sei hinsichtlich der verwendeten Einbau- und Verdichtungsgeräte dafür Sorge zu tragen, dass diese in einem zulässigen Ausmaß eingesetzt würden, sodass es zu keinen unzulässigen Schwingungen und Erschütterungen im Nachbarbereich bzw. beim Gebäude der Beschwerdeführer komme. Diesbezüglich werde auf die Erzeugerhinweise und technischen Beschreibungen der Baugerätehersteller, die über die Art und Verwendbarkeit der Geräte in Verbindung mit dem vorgefundenen Untergrund Auskunft gäben, verwiesen. Hiefür könnten auch die bereits durchgeführten Bodenuntersuchungen der Fa. P. (Bauführer) herangezogen werden. In dieser Hinsicht werde auf die privatrechtlichen Haftungen der ausführenden Firmen verwiesen, da seitens der Behörde davon auszugehen sei, dass die ausführenden Firmen die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen einhalten.

Das Gutachten wurde den Beschwerdeführern mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. In ihrer Stellungnahme vom 2. August 2001 wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, dass sie zum Lokalaugenschein mit dem Sachverständigen nicht geladen worden seien; sie hätten an Ort und Stelle beweisen können, dass die Angaben über die Bodenuntersuchung der Bauführerin in der Nähe ihres Hauses falsch seien. Das Gelände sei hier besonders sumpfig. Deshalb sei das Gutachten des bautechnischen Sachverständigen wertlos, weil es auf falschen Beurteilungsgrundlagen aufbaue. Sie verlangten die Einbeziehung vor allem eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Geologie. Der Sachverständige habe auch den Bauplan des Gebäudes der Beschwerdeführer nicht gesehen, sonst hätte er erkennen müssen, dass ihr Gebäude schwer gefährdet sei, weil die Toreinfahrt nicht mitunterkellert sei. Die Tormauer halte den Erschütterungen beim Straßenbau nicht stand und sinke genauso ab wie die Gartenmauer daneben, und der Stock reiße ab. Erste Risse seien bereits erkennbar.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Pirawarth vom 7. August 2001 wurde die beantragte Baubewilligung gemäß § 12 Abs. 6 des NÖ Straßengesetzes 1999 erteilt.

I.4. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, um die Standsicherheit ihres Hauses nicht zu beeinträchtigen, sei mit der Straße entsprechend weit abzurücken (Zufahrt über die genehmigte Siedlungszufahrt von der K.-straße über den Weidenbach). Ihre Gartenmauer entlang der neu errichteten Schotterstraße habe sich durch die Schwingungen und Erschütterungen des Schwerverkehrs entlang ihrer Grundgrenze bereits um 8 cm in den Sumpf abgesenkt. Sie hätten einen Rohrbruch vor der Wasseruhr gehabt, weil sich das Gelände durch die dauernden Erschütterungen verändere. Ihr Haus beginne zu reißen. Das Gelände der neuen Siedlung habe sich größerflächig abgesenkt, was bereits vielen Leuten auffalle. Der Altbürgermeister habe immer vor Erschütterungen in diesem sumpfigen Gelände gewarnt. Die Häuser in der F.-straße (Anmerkung:

gemeint offenbar die bestehende Straße, von der die neu zu errichtende abzweigt) seien erst nach dem Straßenbau (gemeint offenbar: der F.-straße) errichtet worden. Hätten die Beschwerdeführer am Lokalaugenschein mit dem Sachverständigen teilnehmen können, hätten sie an Ort und Stelle beweisen können, dass die Angaben über die Bodenuntersuchungen unrichtig seien und das Gutachten mangelhaft sei, weil es auf falschen Beurteilungsgrundlagen aufbaue. Laut baubehördlich genehmigtem Bauplan hätten sie ein Streifenfundament, das 30 Jahre gut gehalten habe. Diesen Plan dürfte der Sachverständige nicht gesehen haben, sonst hätte er erkennen müssen, dass das Haus durch Erschütterungen und Schwingungen beim Straßenbau schwer gefährdet sei, weil die Toreinfahrt nicht unterkellert sei und bei Erschütterungen genauso absinke wie die Gartenmauer daneben. Der Stock reiße ab. Erste Risse seien bereits erkennbar. Das Gutachten sei bezüglich der Absicherung ihres Hauses nichtssagend. Auf die Problematik der Gasleitung in dem sumpfigen Gelände werde nicht eingegangen. Im Übrigen könne die Straße bereits seit März 2001 von jedermann befahren werden. Der Bewilligungsbescheid sei daher nur ein "Sanierungsbescheid".

Diese Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Pirawarth vom 4. September 2001 als unbegründet abgewiesen.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. März 2002 keine Folge gegeben.

Mit Erkenntnis vom 30. Juli 2002, Zl. 2002/05/0730, hat der Verwaltungsgerichtshof den zuletzt genannten Bescheid vom 6. März 2002 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend legte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen Folgendes dar:

"Auf das vorliegende Straßenbaubewilligungsverfahren ist, da es mit Antrag vom 30. April 2001 eingeleitet wurde, das NÖ Straßengesetz 1999, LGBl. 8500-0, anzuwenden.

Dieses nunmehr geltende Gesetz regelt in seinem § 13 die Parteistellung. Demnach haben im Bewilligungsverfahren Parteistellung neben dem Antragsteller (Straßenerhalter) die Eigentümer und sonstige dinglich Berechtigten der Grundstücke, auf denen die Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen, sowie u.a. die Eigentümer der Grundstücke, die an die für den geplanten Straßenbau beanspruchten Flächen angrenzen (Nachbarn). Nachbarn dürfen nur die im § 13 Abs. 2 leg. cit. erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen. Diese sind

              1.              die Standsicherheit und Trockenheit der Bauwerke der Nachbarn,

              2.              die ausreichende Belichtung der Hauptfenster der zulässigen Gebäude der Nachbarn,

              3.              die Gewährleistung eines bestehenden Zuganges oder einer bestehenden Zufahrt zum Grundstück, wenn das Grundstück über keinen anderen Zugang oder keine andere Zufahrt auf der Straße erreicht werden kann.

§ 12 Abs. 3 leg. cit. legt fest, dass die Behörde vor Erteilung der Bewilligung eine mündliche Verhandlung abzuhalten hat, in deren Verlauf ein Augenschein an Ort und Stelle (Trassenbegehung) vorzunehmen ist.

...

Abs. 4 des § 12 lautet wie folgt:

'Weiters sind zur Verhandlung die für die Beurteilung des Straßenbauvorhabens und seiner Auswirkungen notwendigen Sachverständigen beizuziehen. Von der Aufnahme des Beweises durch Sachverständige darf nicht abgesehen werden.'

...

Andererseits ergibt sich aus der Bestimmung des § 12 Abs. 3 im Zusammenhang mit Abs. 4, dass die Nachbarn jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass im Falle der Geltendmachung eines ihnen im § 13 Abs. 2 eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechts eine mündliche Verhandlung in ihrem Beisein, also ein kontradiktorisches Verfahren mit dem jeweiligen Sachverständigen, durchgeführt werde.

...

Das Unterlassen der Beiziehung der Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung durch den bautechnischen Sachverständigen stellt somit einen Verfahrensmangel dar. Dieser Mangel ist auch wesentlich, weil bei seiner Unterlassung allenfalls ein anderes Bescheidergebnis erzielt worden wäre. Die Beschwerdeführer haben die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht nur im Verwaltungsverfahren sondern auch in der Beschwerde aufgezeigt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführer, der Amtssachverständige habe von außen und ohne Einsicht in die Baupläne gar nicht beurteilen können, ob die Standsicherheit ihres Gebäudes beeinträchtigt werden könne, ist auch schlüssig: Ohne Kenntnis der Fundierung und der verwendeten Materialien des Gebäudes und der übrigen baulichen Anlagen der Beschwerdeführer (Gartenmauer, Toreinfahrt) kann kein ausreichender Befund erstellt werden. Die Ausführungen des Amtssachverständigen lassen dementsprechend auch jede Angabe über die Fundamentierung und die verwendeten Materialien der baulichen Anlagen der Beschwerdeführer vermissen. Um abschließend beurteilen zu können, ob das von den Beschwerdeführern rechtzeitig geltend gemachte subjektivöffentliche Recht auf Gewährleistung der Standsicherheit und Trockenheit ihrer Bauwerke gesichert ist, hätte es überdies im Beschwerdefall noch der Ergänzung des Verfahrens durch einen Sachverständigen aus dem Gebiet der Geologie (Bodenbeschaffenheit) bedurft. Der Umstand nämlich, dass an den von der Baufirma durchgeführten Bodenproben bzw. Schürfungen im Juni 2001 und im Oktober 2000 keine Feuchtigkeit des Grundes bemerkbar war, ist schon deshalb nicht entscheidungsrelevant, weil keine Feststellungen hinsichtlich der vorangegangenen Niederschläge getroffen worden sind und nicht auszuschließen ist, dass an anderen, von den Beschwerdeführern aufgezeigten Stellen eine andere Bodenbeschaffenheit vorliegt."

I.5. Im Akt befindet sich eine Beweissicherung des Architekten DI G. E. vom 26. Februar 2001 betreffend bauliche Schäden auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer.

Wie sich ferner aus einem im Akt befindlichen Schreiben der Marktgemeinde Bad Pirawarth vom 16. Oktober 2001 an die Volksanwaltschaft ergibt, hat die Gemeinde für 11. Oktober 2001 eine besondere Beschau angesetzt, bei der die Beweissicherung von einem Sachverständigen der Versicherung des Bauunternehmens durchgeführt worden sei. Da der Bescheid des Gemeinderates bereits rechtskräftig und die Beweissicherung durchgeführt worden sei, werde mit dem Straßenbau am 22. Oktober 2001 begonnen. Die bisher bereits durchgeführten Arbeiten hätten die Verlegung des Kanals betroffen.

Des Weiteren befindet sich im Akt eine gutachtliche Beweissicherung des Architekten DI B.N. vom 31. Oktober 2001, ebenfalls betreffend Schäden am Gebäude der Beschwerdeführer.

In einem Aktenvermerk der P. GmbH vom 19. Oktober 2001 ist Folgendes festgehalten:

"Objekt Föhrenwaldstraße 3

2222 Bad Pirawarth

Beurteilung der Standsicherheit gem. Ladung vom 25. Sept. 2001 für 11. Okt. 2001.

Anwesende: wie im Beweissicherungsgutachten Arch. Dipl. Ing. N.

Für die Erschließung der Grundstücke 'Bahnhofsiedlung' in Bad Pirawarth sind für die Errichtung von Zufahrtsstraßen (Gemeindestraßen) Straßenbauarbeiten erforderlich, die im wesentlichen aus Planumsherstellung durch Schüttung und dem Einbau der Tragkonstruktion bestehen, wie im Bauverfahren beschrieben und bewilligt. Die notwendige Verdichtungsarbeit, die zur vorschriftsgemäßen Herstellung der angesprochenen Sand- Kies und Schotterschichten erforderlich ist, wird von einer Tandemvibrationswalze durch mehrere Übergänge aus dem planierten Material geleistet.

Im Zuge der Begehung zur Beweissicherung wurde in den aufliegenden Konsensplan des Hauses Föhrenwaldstraße 3 Einsicht genommen, die plangemäße Ausführung wurde bestätigt. Demzufolge und dem Augenschein nach ist das Gebäude mit Massivdecken auf Mittelmauer und Außenmauern und gemauerten Querwänden der Gebäudeklasse II im Sinne der ÖNorm S 9020 zuzuordnen. Das einstöckige Gebäude ist unterkellert, die Kellersohle liegt ca. 1,60 m unter anstehendem Gelände, die Streifenfundamente unter den Hauptmauern sind bis auf 2,40 m unter Terrain gegründet und stehen nach Aussage des Errichters auf gut tragfähigem Boden.

Das Objekt liegt ca. 14 m von der zu errichtenden Straße entfernt und quer zur Straßenachse.

Zur Vermittlung einer subjektiven Empfindung der durch die Straßenbauarbeiten zu erwartenden Erschütterungen im und um das Gebäude, besonders an der, der Baustelle zugewandten Seite, wurde eine Tandemvibrationswalze (Fabrikat Bomag) antransportiert und probeweise im nächstliegenden Teil der Aufschließungsstraße in Betrieb genommen. Es wurden mit und ohne Vibrationswirkung auf der Baustraße einige Übergänge gefahren, wobei zu bemerken wäre, daß durch die vorhandenen Unebenheiten, anders als bei einem Planum einer Tragschichte oder auch eines Unterbauplanums, vergleichsweise ein sogar ungünstigerer Eindruck als bei der tatsächlichen Bauausführung entstehen konnte.

Die Wahrnehmbarkeit der Erschütterungen bei höchster Vibrationsstufe beschränkte sich auf den unmittelbaren Ablauf beim Hochfahren und war etwa vergleichbar mit der Vorbeifahrt der Triebwagengarnitur auf dem in ca. 20 m Entfernung liegenden Gleis der Bahnstrecke Bad Pirawarth - Groß Schweinbarth.

In der ÖNorm S 9020 ist für die Gebäudeklasse II ein Richtwert für die zulässige Schwinggeschwindigkeit VR max. am Gebäudefundament mit 20 mm/sek. angegeben.

Nach Untersuchungen der Bomag Anwendungstechnik sind für eine BW 151AD Variomatik an einem Fundament in ca. 7 m Entfernung von der Arbeitsstelle bei stärkster Vibration (Arbeitsrichtung 90 Grad) 0,89 mm/sek. gemessen worden.

Aus einer Reihe von solchen Messungen ist die Empfehlung des Erzeugers solcher Verdichtungsgeräte ergangen, einen Sicherheitsabstand in Metern von 1,0 x Achslast (in Tonnen) einzuhalten.

Die bei dem Straßenbauvorhaben auftretenden Schwinggeschwindigkeiten werden weit unter den für ein Gebäude dieser Bauklasse zulässigen liegen. Es besteht daher aus baustatischer Sicht keine Gefährdung des Objekts Föhrenwaldstraße 3 bei der Durchführung der in Aussicht genommenen Straßenbauarbeiten mit der bauüblichen Sorgfalt."

Im Akt enthalten sind des Weiteren eine Beweissicherung des Baumeisters J. H. vom 25. Mai 2002 über den Zustand der Liegenschaft der Beschwerdeführer und ein Gutachten des Sachverständigen für Bodenmechanik und Geologie DI Dr. M. F. vom 31. Mai 2002, an Baumeister J. H. gerichtet, mit folgendem Wortlaut:

"Entsprechend Ihrem Schreiben vom 25.4.2002 an mich, in welchem Sie mir meine Bestellung zum Subgutachter für Bodenmechanik und Geologie in obiger Rechtssache mitgeteilt haben, habe ich an dem von Ihnen für Freitag, 17.05.2002, 14.00 Uhr anberaumten Lokalaugenschein in 2222 Bad Pirawarth, Föhrenwaldstraße 3 teilgenommen.

...

Das Ergebnis der Bundaufnahme aus geologisch-morphologischer

Sicht ist folgendes:

Die Liegenschaft der Antragstellerin liegt im südlichen bis südöstlichen Ortsrand von Bad Pirawarth nahe der Bahnlinie und der Bahnstation am orografisch rechten Rand des Tales des Weidenbaches (Fließrichtung nach SSO). Der Talboden ist relativ breit und nahezu horizontal. Weiters ist das geringe Längsgefälle des Tales und des Weidenbaches zu beachten. Daraus folgert, dass der Talboden des Weidenbaches aus jungen Bachalluvionen besteht, die infolge des geringen Gefälles, folglich geringer Fließgeschwindigkeit des Weidenbaches, relativ feinkörnig ausgebildet sein müssen, z.B. beckenschluffartig.

Das Ergebnis der Befundaufnahme aus bodenmechanischer Sicht stützt sich auf das Ergebnis einer Probegrabung (Baggerschürfung) während des Lokalaugenscheins, für deren Durchführung seitens der Antragstellering ein kleiner Tieflöffelbagger bereitgestellt wurde.

Für diese Probegrabung wurde eine Stelle unmittelbar neben der durch Zaunsteher gekennzeichneten Liegenschaftsgrenze zur nördlichen, entlang der Aufschließungsstraße verlaufenden Nachbarliegenschaft (unbebaut, landwirtschaftlich genutzt) gewählt, da hier die ursprüngliche Geländehöhe (ohne Aufschüttung) besteht. Eine Schürfung in geringer Entfernung vom Wohnhaus der Antragstellerin kam einerseits aus Sicherheitsgründen - weil eine Gefährdung des Hauses nicht auszuschließen war - und auch deswegen nicht in Frage, weil die Geländeoberfläche direkt neben dem Haus mit Betonbelag befestigt ist. Die Entfernung der Schürfung von der nächstgelegenen Hausecke betrug ca. 15 m.

Das Ergebnis der Probeschürfung (siehe hiezu die von Ihnen aufgenommenen Fotos in der Fotobeilage) war folgendes (Tiefen ab Urgeländeoberfläche):

0,00 - 1,00 m

Mutterboden, schwarzgrau, einzelne Ziegelstücke eingelagert, feucht

1,00 - 2,00 m

Schluff, feinsandig, gelbbraun, weich (knetbar)

2,00 - 2,90 m

Schluff, feinsandig, gelbbraun, sehr weich, nach unten in breiig übergehend, d.h. der Wassergehalt nimmt nach unten zu, der Boden quillt zwischen den Fingern durch.

Direkter Wasserzutritt von den Seitenwänden der Schürfung war nicht feststellbar. Die Schürfung musste beendet und unmittelbar danach mit dem Aushubmaterial verfüllt werden, da die Seitenwände sofort instabil wurden und schollenartig einbrachen. Vor dem Verfüllen wurde von mir aus dem Aushubmaterial des Tiefenbereichs 2,00 bis 2,90 m mittels Stechzylinder eine Bodenprobe (Probendurchmesser 100 mm, Probehöhe 137 mm) für Laboruntersuchungen entnommen, d.h. um die festgestellten Bodeneigenschaften durch Zahlenwerte zu untermauern.

Zur Ermittlung der Grundwasserverhältnisse im Bereich der Liegenschaft der Antragstellerin wurde der auf dieser Liegenschaft bestehende Brunnen herangezogen und gemeinsam besichtigt. Dieser ist ca. 60 m vom Wohnhaus der Antragstellerin in nordöstlicher Richtung entfernt situiert und ist mit Betonbrunnenringen gesichert. Der Ruhewasserspiegel wurde 0,60 m unter der Geländeoberfläche gemessen. Da die Geländeoberfläche vom Wohnhaus nach NO bis zum Brunnen ein geringes Gefälle aufweist, ist zu folgern, dass der GW-Spiegel im Bereich der Baggerschürfung und des Wohnhauses etwa 1 m unter dem natürlichen Geländeniveau ansteht, knapp 2 m unter dem Niveau der betonbefestigten Flächen rund um das Wohnhaus (Aufschüttung von ca. 1 m Höhe). Die Untersuchung der von mir entnommenen Bodenprobe erfolgte im Erdbaulabor des Instituts für Grundbau und Bodenmechanik an der Technischen Universität Wien, 1040 Wien, Karlsplatz 13.

Die Ergebnisse vom 31.05.2002 sind in der Beilage 1 angeschlossen.

Aus diesen Laborversuchsergebnissen geht Folgendes hervor:

Aufgrund der Körnungslinie (Abb. 1) gemäß ÖNORM B 4412 handelt es sich um sandigen Schluff mit 17 % Sandanteil (Korngröße > 0,063 mm), 79 % Schluffanteil und 4 % Tonanteil (Korngröße < 0,002 mm).

Die Ermittlung der Konsistenzgrenzen gemäß ÖNORM B 4411 ergab

folgende Kennwerte:

Fließgrenze

WL

=

25,0

%

Ausrollgrenze

WP

=

18,5

%

Plastizitätszahl

IP

=

6,5

%

Demnach handelt es sich im Sinne der ÖNORM B 4400/Bild 4 (Plastizitätsdiagramm) um gering plastisches Material. Der Wassergehalt, ermittelt gemäß ÖNORM B 4410, beträgt im Entnahmezustand w=25,9%.

Daraus ergibt sich mit den oben genannten Konsistenzgrenzen rechnerisch eine Zustandszahl Ic=-0,14 < 1, d.h. das Material der entnommenen Probe befindet sich im flüssigen Zustand, da Ic kleiner als Null ist.

Die entnommene Probe hatte im Entnahmezustand eine Dichte (naturfeucht bzw. wassergesättigt) von 1,95 g/cm3. Mit dem Wassergehalt von w=25,9% ergibt sich eine Trockendichte von 1,55 g/cm3 (Dichteermittlung gemäß ÖNORM B 4414, Teil 1). Die Korndichte ps=2,70 g/cm3 (gemäß ÖNORM B 4413) und die Trockendichte ergeben einen rechnerischen Porenanteil von n=0,43, d. h. 43 % des Bodenvolumens im natürlichen Zustand bestehen aus wassergefüllten Poren.

Hiezu ist festzustellen, dass Boden dieser Art nicht dafür geeignet ist, dass darauf direkt Gebäude mittels Flächengründungen (Streifen-, Einzel- oder Plattenfundamente) fundiert werden. Unter derartigen Voraussetzungen müsste eine andere Bauweise bzw. Fundierungsart gewählt werden, insbesondere anstatt einer Flächengründung eine Tiefgründung, z.B. mittels Rammpfählen (Fertigteilrammpfähle).

Die in der Probeschürfung festgestellten Verhältnisse gelten naturgemäß nur für den unmittelbaren Untersuchungsbereich und für die Aufschlusstiefe von knapp 3 m unter Urgelände, d.h. es ist nicht bekannt, wie tief das nicht tragfähige Bodenmaterial aus wassergesättigtem sandigen Schluff von breiiger bis flüssiger Konsistenz reicht.

Aufgrund der Tatsache, dass sich die Schwingungen des eingesetzten Tieflöffelbaggers (mit Gummiraupenfahrwerk) beim unmittelbaren Vorbeifahren am gegenständlichen Wohnhaus auf den Untergrund übertrugen und für alle Anwesenden deutlich merkbar waren, ein Phänomen, das in dieser Deutlichkeit nur auf weichem, wassergesättigtem Untergrund auftritt, ist zu folgern, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit jene Bodeneigenschaften, wie sie in der Probeschürfung festgestellt wurden, auch im unmittelbaren Wohnhausbereich, also auch unter den Fundamenten des Wohnhauses vorliegen.

Eine korrekte Beantwortung dieser Frage ist nur mit Hilfe des Ergebnisses einer voll verrohrten Aufschlussbohrung gemäß ÖNORM B 4401, Teil 1, zweckmäßigerweise als Kernbohrung mit Einfachkernrohr, allenfalls mittels Rammkernrohr möglich, die so tief geführt werden müsste, bis tragfähiges Bodenmaterial erbohrt wird.

Anhaltspunkte für die Tiefenlage von tragfähigen Bodenschichten gäbe auch eine Rammsondierung, z.B. mit der Schweren Rammsonde (SRS 15) gemäß ÖNORM B 4419, Teil 1.

...

Die Ermittlung der Bodenschichten und Bodeneigenschaften im unmittelbaren Nahbereich des Wohnhauses der Antragstellerin kann demnach - auch aus Gründen der Sicherheit - nur mittels Aufschlussbohrung, wie oben beschrieben, erfolgen."

Am 15. Juli 2002 erstattete der Zivilingenieur für Bauwesen DI W. M. folgendes geotechnisches Gutachten für die W.GesmbH (Anmerkung: Diese errichtet Gebäude in der Nähe des Objektes der Beschwerdeführer, wobei für deren Aufschließung die gegenständliche Straße dienen soll):

"GEOTECHNISCHES GUTACHTEN

...

3. BODENVERHÄLTNISSE

3.1 Allgemeine und geologische Verhältnisse

Erste Probeschächte durch den Statiker Dipl. Ing. Toms zeigten unter 1 - 2m Humus und Lehm hohes Grundwasser und weiche, nicht standfeste Schluffe und Feinsande. 8 Sondagen durch Fa. Ing. K bestätigten, daß bis etwa 5m Tiefe mit keiner Tragfähigkeit gerechnet werden kann, gute Schlagzahlen erst ab 8m Tiefe.

Die vorhandene leichte Bebauung erfolgte mit seichten Gründungen; das Einfamilienhaus (Beschwerdeführer) in mindestens 50m Entfernung nach Mitteilung auf Streifenfundamenten, neue Einfamilienhäuser auf Stahlbetonplatten.

Aus geologischer Sicht überdecken hier in der Talsohle des Weidenbaches junge Ablagerungen die geologisch vorbelasteten tertiären Sedimente.

3.2 Probeschächte

4 BAGGERSCHLITZE vom 28.5.2002 aufgenommen durch DIPL. ING.

T. siehe beiliegendes Protokoll der Bodenbeschau, 3 Seiten

     2 EIGENE BAGGERSCHLITZE vom 12.7.2002

Schacht A: Ansatzhöhe ca. 175,62

     0,0

     Mutterboden, mittelbraun

     0,1

     Zwischenboden: Lehm = feinsandiger Schluff, hellbraun,

trocken - erdfeucht, mager, halbfest, durchwurzelt

     1,2

     Schluff, graubraun, tonig, feucht, steif, - 1,4m Drainagerohr

aus Ton, Ø 80mm (licht); ab 1,7m Tiefe drückt Grundwasser von

unten durch

     1,9

     Lehm, dunkelgraubraun, schluffig- tonig, humos,

weichplastische Konsistenz, meist dichtes Gefüge, teils krümelig,

in Wasserwegsamkeiten verockert, sowie mit zunehmender Tiefe

mittelstarker Grundwasserandrang

3,3

     Schacht kurzfristig standfest, Wände brechen etwas aus.

Betonrohre DN400mm als Brunnen eingebaut.

Schacht B: Ansatzhöhe = ca. 175,54

     0,0

     Mutterboden, mittelbraun

     0,1

     Zwischenboden: Lehm, hellbraun, tonig, erdfeucht, halbfest

     0,6

     Lehm- Humus, dunkelbraun bis schwarz, krümelig, feucht,

steife Konsistenz

     1,2

     Sandiger Schluff, gelb, feucht, weichplastisch, klebrig,

dichtes Gefüge

     1,5

     Sandiger Schluff, gelb, naß, breiig bis flüssig, ab 1,9m

sichtbarer Grundwassereintritt von unten, nicht standfest, Boden

fließt wie Sirup

2,6

     Schacht trotz Kanalverbau nicht standfest, da Schluffsand im

Grundwasser sofort einbricht bzw. einfließt (Stirnseiten).

Betonrohr DN400mm als Brunnen eingebaut.

3.3 Grundwasser

wurde in allen Probeschächten angetroffen und ein gewisses Aufspiegeln festgestellt. Auf Grund der Beobachtungen bei den Schächten A und B ist davon auszugehen, daß in tieferen durchlässigeren Schichten gespanntes Grundwasser vorliegt, das zunächst durch einzelne Wasserdurchlässigkeiten und bei geeignetem Boden - Schluff- Sand - als Ganzes nach oben durchdrückt => Schwimmsand-Phänomene!

Ein verlässlicher Grundwasserspiegel wurde über die beiden Brunnen bestimmt:

 

Brunnen / Schacht A

Brunnen / Schacht B

 

OK Brunnen = 175,51m

OK Brunnen = 175,27m

 

GOK = 175,62m

GOK = 175,54m

Wassereintritt auf

- 1,7m GOK = ca. 173,9m

- 1,9m GOK = ca. 173,65m

Wasserspiegel nach 3 Tagen

- 1,47m GOK = 174,15m

- 1,14m GOK = 174,40m

Wasserspiegel 25.7.2002

- 1,38m GOK = 174,24m

- 1,16m GOK = 174,38m

Wasserspiegel 22.8.2002
(nach schweren Niederschlägen)

- 0,91m GOK= 174,71m

- 0,65m GOK = 174,89m

Gemäß beiliegenden Pumpversuchen ließ sich mit 5l- Tauchpumpe das Betonrohr DN 400 in ca. 1 Minute leerpumpen, die Wiederaufspiegelung ging jedoch relativ schnell vor sich, nach ca. 1 h Wasserspiegel nur mehr ca. 12cm unter Ruhewasserspiegel. Das Grundwasser einer 5m entfernten Rammsondage wurde nicht beeinflußt.

Demnach weist der Baugrund Wasserwegsamkeiten auf, die ggf. eine Entwässerung durch Schwerkraft erlauben.

Der höchste Grundwasserspiegel für die Baudurchführung wird etwa dem vom 22.8.2002 entsprechen, für die Bestimmung des Auftriebes wird in der Regel eine Sicherheitshöhe von lm hinzugefügt, womit HGW = Urgelände angesetzt werden kann.

Beiliegende Grundwasseranalyse ergab Wasser mit ca. 300 mg /l Sulfat, für CEM I an der Grenze zu stark angreifend: Massige Bauteile können ggf. mit CEM III (HOZ) bei niedrigem W/Z- Wert mit dichtem Gefüge usw. ausgeführt werden, für Pfahlverpressungen mit Zementleim bzw. -mörtel ist CEM HS erforderlich.

3.4 Sondagen

6 Vollsondagen und 2 Nutsondagen erschlossen den Baugrund bis 12m Tiefe, wo der Boden nicht mehr durchrammt werden konnte. Etwa übereinstimmend ergaben sich bis 5m Tiefe ganz geringe Schlagzahlen entsprechend nicht tragfähigem Boden; ab dort mittlere Schlagzahlen, gemäß Nut mehr oder weniger schluffiger Feinsand und zum Teil Kies. Ab ca. 8m Tiefe kontinuierlicher Anstieg der Schlagzahlen entsprechend Mantelreibung im Tegel, auch in Nut festgestellt: Mitteldichter und dichter schluffiger Feinsand bzw. sandiger Schluff-Ton, dicht und steif.

3.5 Beurteilung der Bodenverhältnisse

Unter wenig Mutterboden folgt etwas humoser und durchwurzelter Zwischenboden bis ca. 1,2m Tiefe, der voraussichtlich zu humos für eine Bodenaushubdeponie ist.

Die für die Gründungen maßgeblichen Schichten können auf Grund der Untersuchungen und der Erfahrungen vereinfacht wie folgt eingeschätzt werden:

     0= GOK = ca. 175,7m

11,2

11,5

Mutterboden + Zwischenboden

Lehm, braungrau, steifplastisch

Lehm, braungrau, weichplastisch,
feucht bzw. wasserführend,
nicht ausreichend tragfähig
westlich/ Bauabschnitt 1
Wichte ? = ca. 18 kN/m3,
unter Auftrieb ?' = ca. 8 kN/m3,
Reibungswinkel ?' = ca. 27,5 Grad
kaum Kohäsion
Zus.drückungsmodul Es=ca.5 MN/m2

 

Schluff- Sand, gelb, weich,

Sand, stark schluffig, gelb, wasserführend,
breiig bzw. flüssig, Schwimmsand,
nicht tragfähig
östlich /Bauabschnitt 2
Wichte ? = ca. 19 kN/m3,
unter Auftrieb ?' = ca. 9 kN/m3,
Reibungswinkel ?' = ca. 32,5 Grad
keine Kohäsion
Zus.drückungsmodul Es = ca. 2 - 10 MN/m2

 

insgesamt anzusprechen als junge Sedimente des Weidenbaches

 

Bodengruppe TM - UM - OU

Bodengruppe UL - SU - SU

     5,0

Feinsand, braungrau, mehr oder weniger schluffig,

teils schluffig-tonig, teils kiesig, wasserführend, aufgrund der

Schlagzahlen mitteldicht gelagert => ältere Sedimente, bereits

tragfähig.

8,0

Feinsand, braungrau, mehr oder weniger schluffig, dicht gelagert; und Schluff-Ton, steif; bereits als Tertiär anzusprechen, gut tragfähig; auf große Tiefe zu erwarten und bis 12m Tiefe nachgewiesen.

Die Bodenschichten sind in Gründungstiefe weich und von geringer Tragfähigkeit, die für mehrgeschoßige Hochbauten nicht ausreicht, jedenfalls Pfähle erforderlich. Das Rammen von Pfählen kann hier zu örtlicher Bodenverflüssigung führen, das heißt, das Rammgerät versänke: dagegen: Herstellung vom Urgelände aus, oder Baggermatten oder ein anderes Pfahlsystem, etwa Schnecken-Ortbeton-Pfähle.

Hauptproblem ist das Grundwasser, das in tieferen, wasserdurchlässigeren Schichten unter Druck steht, und im Lehm durch diffuse Wasserwegsamkeiten aufsteigt, im Schluff- Sand den Boden in Schwimmsand verwandelt, auflockert und verflüssigt. Dieser Schluff- Sand ist in 1,6m Tiefe -Aushub Tiefgarage - breiig bis flüssig, weder begeh- noch befahrbar.

Gemäß ersten Laboruntersuchungen ist der Durchlässigkeitsbeiwert des Schluff-Sandes in der Größenordnung von 10-6m/s; der Boden ist somit an sich durch Schwerkraft nicht entwässerbar, wohl aber mit Vakuumbrunnen oder -lanzen. Die Pumpversuche zeigten aber, dass vermutlich gravitative Entwässerung funktionieren würde, allerdings mit eng begrenzten Absenktrichtern und daher zahlreichen Brunnen. Mit genügender Vorlaufzeit wäre eine Verfestigung, als Grundlage für ein Arbeitsplanum möglich, oder bei nicht zu hohem Grundwasser:

im westlichen Bauabschnitt 1 auf weichem Lehm mitVlies + 40cm Kantschotter, wenn befahrbar, sonst auch weniger; oder auch Zementstabilisierung;

im östlichen Bauabschnitt 2 auf weichem über breiigem Schluff-Sand mitZementstabilisierung: hier bei Aushub unter Grundwasser, also i.A. -1,2m bereits Schwimmsandbildung zu erwarten und daher Vlies und Schotter nicht mehr einbring- und verdichtbar ! Dabei würde ca. 25kg Zement aufgestreut und auf ca. 30cm Tiefe eingefräst werden, sofortige Abtrocknung erlaubt Verdichtung, mit Verdunstungsschutz und Abrütteln für Mikrorißstruktur ergibt nach idR 3 Tagen ein sauberes (für die Verlegung der Bewehrung) und tragfähiges Planum. Bei höheren Grundwasserständen als 1m unter GOK Gefahr des 'Aufschwimmens' der Z-Stab:, dagegen örtliche Grundwasserabsenkung um einige Dezimeter, oder Fluten.

4. GRÜNDUNG

4.1 Allgemeines

Eine Flachgründung ist aufgrund der schlechten Bodenverhältnisse nicht möglich. Ein wasserdichter Abschluß nach unten mit Stahlbetonplatte, auch gegen Auftrieb, ist erforderlich.

4.2 Tiefgründung

Am zweckmäßigsten erscheinen Duktilpfähle (oder Gleichwertiges), das sind GGG-Rohre mit Durchmesser d, die mit oder auch ohne gleichzeitiger Verpressung mit Zementmörtel auf Durchmesser D, mit Schnellschlaghammer bei nur geringen Erschütterungen (im Gegensatz zu größeren Rammpfählen) lotrecht oder mit leichter Schrägstellung eingerammt werden. Mit Hinblick auf das durch Setzungen vorgeschädigte Nachbargebäude kann festgestellt werden, daß der Abstand so groß ist,

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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