RS Vfgh 1987/3/7 B626/85

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 07.03.1987
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art87 Abs3
B-VG Art133 Z4
MRK Art6 Abs1
DSt 1872 §12 Abs1 litb
DSt 1872 §12 Abs2
DSt 1872 §17 Abs3 Z1 litc
DSt 1872 §27
DSt 1872 §2a
AVG §37
DSt 1872 §51 Abs4
DSt 1872 §55d

Leitsatz

Streichung von der Liste der Rechtsanwälte nach Berufung des Kammeranwaltes (in Bindung an eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Veruntreuung nach §133 Abs1 und Abs2 erster Fall StGB); keine konkreten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte für eine sinngemäße Übertragung des die Gerichtsbarkeit beherrschenden Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung auf den bereich der Kollegialbehörden iSd. Art133 Z4 B-VG (Hinweis auf VfSlg. 9387/1982); keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter; keine Willkür

Rechtssatz

Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt durch die OBDK.

Wenn der Beschwerdeführer unter dem Aspekt einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend macht, daß die Strafe trotz eingetretener Verjährung verhängt worden sei, so verkennt er, daß sich diese Rüge der Sache nach nicht gegen den - ausschließlich durch den Schuldspruch bedingten - Ausspruch über die Strafe richtet, sondern gegen den Schuldspruch selbst; dieser ist jedoch - infolge der Zurückziehung der Schuldberufung des Beschwerdeführers - ausschließlich Gegenstand des insoweit in Rechtskraft erwachsenen erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses.

Der Beschwerdevorwurf, daß die OBDK dem Beschwerdeführer vor ihrer Entscheidung, mit der die Disziplinarsache an den Disziplinarrat der RAK für Wien, Niederösterreich und Burgenland übertragen wurde, kein Parteiengehör gewährt habe, bezieht sich nicht auf den mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheid, sondern auf eine andere, in Rechtskraft erwachsene Entscheidung, gegen die - wie nebenher angemerkt sei - keine Verfassungsgerichtshof-Beschwerde ergriffen worden war.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erachtet der Beschwerdeführer als verletzt, weil für die in Senaten entscheidende OBDK der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung nicht gilt; er erblickt hierin auch einen Verstoß gegen Art6 MRK.

Hiezu genügt es, auf das Erk. VfSlg. 9387/1982 hinzuweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof - in bezug auf das Disziplinarverfahren vor der OBDK - mit näheren Hinweisen auf seine Vorjudikatur aussprach, daß es keine konkreten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte gibt, die für eine sinngemäße Übertragung des die Gerichtsbarkeit (iSd Art82 B-VG) beherrschenden Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung auf den Bereich der kollegialen Verwaltungsbehörden (iSd Art133 Z4 B-VG) sprechen.

Der Beschwerdeführer stützt seinen Vorwurf, die belangte Behörde habe Willkür geübt, auf folgende Passage aus der Begründung des bekämpften Bescheides:

"Abgesehen davon, daß dem vor allem immateriellen Vertrauensschaden eine geldwerte Buße nicht entspräche, weil sonst der Eindruck entstünde, es werde durch die Geldbuße der materielle Vermögensschaden aufgewogen, müßte - um diesen Eindruck zu vermeiden - die Geldbuße nahezu an der Grenze der mit höchstens S 360.000,- vorgesehenen Höchststrafe ausgemessen werden, was im gegenständlichen Fall wohl schon deswegen nicht in Betracht käme, da der Beschuldigte sein Jahresnettoeinkommen mit nur ca S 250.000,- einbekannt hat."

Seiner Ansicht nach lasse die belangte Behörde damit "erkennen, daß ein entsprechend hohes Jahresnettoeinkommen die Garantie für die Verhängung einer Geldbuße - auch wenn die Höchststrafe genannt wird - gewesen wäre". Sei es aber - wie der Beschwerdeführer weiters meint - für den Strafausspruch entscheidend gewesen, daß "die Höchststrafe an Geldbuße" aufgrund der Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers nicht habe verhängt werden können, so bilde dies ein Indiz für ein willkürliches Vorgehen.

Hier verkennt der Beschwerdeführer jedoch, daß es sich bei der von ihm herausgegriffenen Begründungspassage bloß um ein peripheres, die getroffene Entscheidung nicht tragendes Argument der Behörde handelt, welche davon ausging, daß dem - von ihr als besonders gravierend erachteten - immateriellen Vertrauensschaden eine Geldbuße überhaupt nicht entspräche.

Verhängung der Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte durch die OBDK wegen Veruntreuung von Klientengeldern.

Keine Gleichheitsverletzung dadurch, daß keine Geldbuße iSd §12 Abs1 litb DSt 1872 verhängt wurde.

Als ein willkürliches Vorgehen wirft der Beschwerdeführer der OBDK vor, sie habe sich dadurch in Gegensatz zu ihrem Beschluß vom 17.12.1984 gesetzt, daß sie seine dort bejahte Vertrauenswürdigkeit nunmehr verneint habe. Er bezieht sich hiebei auf die in der Begründung dieses Beschlusses enthaltene Aussage, daß "die gänzliche vorläufige Einstellung der Berufsausübung derzeit nicht erforderlich (erscheint), weil sich der Disziplinarbeschuldigte - soweit dies die bisherigen Verfahrensergebnisse erkennen lassen - nach der nun schon einige Jahre zurückliegenden Tat wohlverhalten hat".

Dieser Beschwerdevorwurf ist aber schon deshalb nicht berechtigt, weil die belangte Behörde selbst deutlich zum Ausdruck brachte, daß ihre im Rahmen einer Entscheidung über eine vorläufige Maßnahme gebildete Meinung ihre endgültige, aufgrund einer Würdigung sämtlicher Verfahrensergebnisse zu gewinnenden Auffassung nicht vorwegnehme. Im übrigen könnte sogar ein offenkundiger Wertungswiderspruch zwischen der Entscheidung über eine vorläufige Maßnahme und der Sachentscheidung in der Disziplinarangelegenheit den vom Beschwerdeführer gezogenen Schluß nicht tragen, weil der Zweck der beiden Verfahren unterschiedlich ist und sich die Sachentscheidung in der Disziplinarangelegenheit (hier: der Ausspruch über die Strafe) ausschließlich am Gesetz zu orientieren hat.

Geht man vom disziplinarrechtlich, in Bindung an das strafgerichtliche Urteil gefällten Schuldspruch aus, demzufolge der Beschwerdeführer in zwei Fällen Klientengelder veruntreut hat, so ist nicht einzusehen, weshalb die Verhängung der Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte trotz des Vorliegens mehrerer, nicht unbedeutender Milderungsgründe als Willkürakt zu qualifizieren wäre; ein gravierender und darob in die Verfassungssphäre reichender Fehler bei der Handhabung des §12 Abs1 und 2 DSt wird vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht zu erkennen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Bescheid, Verwaltungsverfahren, Berufung, Ermittlungsverfahren, Parteiengehör, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B626.1985

Dokumentnummer

JFR_10129693_85B00626_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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