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99 Völkerrechtliche VerträgeNorm
B-VG Art50Leitsatz
Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen des Transitvertrages, der Verwaltungsvereinbarung zum Transitvertrag und des GüterbeförderungsG hinsichtlich der Einführung des sogenannten Ökopunktesystems; unmittelbare Anwendbarkeit der völkerrechtlichen Vereinbarungen; rechtliche Betroffenheit des antragstellenden Transportunternehmens gegeben; jedoch Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges im Wege einer Antragstellung auf Zuteilung von Ökopunkten in einem bestimmten AusmaßRechtssatz
Da eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit durch eine staatsvertragliche Regelung, die Voraussetzung für die Antragslegitimation eines Individualantragstellers ist, nur gegeben sein kann, wenn die bekämpfte Bestimmung unmittelbar anwendbar ist, ist zunächst zu erwägen, ob die angefochtenen Bestimmungen des Transitvertrags und der Vereinbarung als unmittelbar anwendbare Staatsvertragsbestimmungen zu qualifizieren sind.
Beide völkerrechtlichen Vereinbarungen sind ohne Erfüllungsvorbehalt kundgemacht, was zunächst dafür spricht, daß die Verträge unmittelbar anwendbar sind. Weder sprechen subjektive Gründe gegen eine Qualifikation als unmittelbar anwendbar, noch sind die in Rede stehenden Bestimmungen objektiv ungeeignet, Grundlage von Vollzugsakten zu sein.
Auch der im Verfahren hervorgehobene Umstand, daß Art24 Abs4 des Transitvertrags die Festlegung der Modalitäten der Einführung des Ökopunktesystems nach Art15 conv.cit. einer Verwaltungsvereinbarung überläßt, ändert daran nichts.
Die Rechtssphäre der antragstellenden Unternehmung wird durch die bekämpften Regelungen nachteilig berührt.
Das antragstellende Transportunternehmen ist verpflichtet, für Transitfahrten mit seinen vor dem 01.10.90 zugelassenen LKW Ökopunkte in einem Ausmaß zu verwenden, das dem C.O.P.-Wert von 15,8 g/kWh entspricht. Kommt es dieser sich aus den Verträgen direkt ergebenden Verpflichtung nicht nach, so verletzt es eine konkrete Verhaltensanordnung, was für das Unternehmen zu verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen nach §16 GüterbeförderungsG führen kann; überdies läuft das Unternehmen Gefahr, daß ihm die für die Unternehmenstätigkeit erforderlichen Bewilligungen entzogen werden (§7b Abs6 GüterbeförderungsG).
Das verfassungsgerichtliche Verfahren hat zwar ergeben, daß - wie die antragstellende Gesellschaft behauptet - die Kontingentverteilung und Vergabe von Ökopunkten derzeit ohne Durchführung eines förmlichen Verwaltungsverfahrens und ohne bescheidmäßige Erledigung erfolgt, doch ist diese rechtsstaatlich bedenkliche Praxis vom Gesetz keineswegs vorgezeichnet.
Hätte der zitierte §7a GüterbeförderungsG den ihm von der Verwaltungspraxis zugemessenen Inhalt, eine Bescheiderlassung auch im Fall der Ablehnung oder Beschränkung beantragter Kontingente auszuschließen, so wäre er verfassungswidrig.
Wenn §7a Abs2 leg.cit. von einem "vereinfachten Verfahren" spricht, so eximiert diese Bestimmung damit keineswegs zur Gänze von den Anforderungen des AVG, an die gemäß ArtII Abs4 EGVG der zur Vollziehung des Güterbeförderungsgesetzes berufene Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr an sich gebunden ist. Auch ein solches vereinfachtes Verfahren auf Zuteilung von Ökopunkten muß von Verfassungs wegen den Anforderungen an einen rechtsstaatlichen Mindeststandard entsprechen, zu denen es jedenfalls gehört, daß zumindest eine im Ergebnis negative Entscheidung - in durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts überprüfbarer Weise - in Bescheidform ergeht (vgl. auch hiezu VfSlg. 13223/1992).
Entgegen der Annahme der antragstellenden Gesellschaft steht ihr somit ein zumutbarer Weg zur Verfügung, die behauptete Rechtswidrigkeit der staatsvertraglichen Regelungen im Weg einer Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen:
Es steht ihr nämlich offen, bei der Behörde die Zuteilung von Ökopunkten in einem Ausmaß zu beantragen, das ihren Vorstellungen entspricht (etwa indem sie für abgasarme Altfahrzeuge die Zuteilung einer erhöhten Punktezahl begehrt) und - im Falle einer abweislichen Erledigung, die wie eben dargelegt in Bescheidform zu ergehen hat, - diese nach Erschöpfung des Instanzenzuges mit entsprechenden Behauptungen vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu bekämpfen.
Die "vorsorglich" gestellten Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen des GüterbeförderungsG erweisen sich als unzulässig.
Die vorgetragenen Bedenken richten sich nicht gegen die, das völkerrechtliche Regelungssystem ergänzenden Vorschriften des §7a, §7b und §16 GüterbeförderungsG, sondern ausschließlich gegen die bekämpften Bestimmungen des Transitvertrags und der Vereinbarung.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Staatsvertragsprüfung, Staatsverträge, Anwendbarkeit Staatsvertrag, Güterbeförderung, Straßenverkehr Transit, Transitverkehr, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:G91.1993Dokumentnummer
JFR_10058870_93G00091_01