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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Führerscheingesetzes sowie der Vorgängerbestimmungen im Kraftfahrgesetz betreffend die vorläufige Entziehung der Lenkberechtigung wegen drastischer Geschwindigkeitsüberschreitungen bzw wegen Überschreitens der "Promille-Grenzen"; keine Unsachlichkeit wegen des zeitlichen Auseinanderklaffens zwischen vorübergehender Verkehrsunzuverlässigkeit und faktischer Wirksamkeit der Entziehungsmaßnahme; kein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention mangels Strafcharakters der EntziehungsmaßnahmeRechtssatz
Zulässigkeit der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf teilweise Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §7 und §26 FührerscheinG bzw §66 und §73 KFG 1967.
Da der Verfassungsgerichtshof alle Anträge zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden hat und jede der angefochtenen Bestimmungen zumindest in einem der verbundenen Verfahren anzuwenden ist, erübrigt sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Frage, welche Teile der angefochtenen Bestimmungen in welchem Verfahren präjudiziell sind.
Keine Verfassungswidrigkeit von Teilen des §7 und §26 FührerscheinG sowie der Vorgängerbestimmungen in §66 und §73 KFG 1967.
Dem Gesetzgeber kann aus Sicht des Sachlichkeitsgebots - schon aus Gründen der Gewährleistung einer rechtsstaatlich einwandfreien Ermittlung des Sachverhalts - nicht entgegengetreten werden, wenn er in §26 Abs7 FührerscheinG vorsieht, daß die Kraftfahrbehörde in bestimmten Fällen der Alkoholisierung (§26 Abs4 FührerscheinG) und drastischer Geschwindigkeitsüberschreitungen (§26 Abs3 FührerscheinG) den Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens in erster Instanz abzuwarten hat.
Die Entziehung der Lenkberechtigung ist von vornherein nicht (nur) als Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr konzipiert, die eine unmittelbar effektive und sofortige Sicherung bewirkt, sondern sie entfaltet vor allem auch dadurch einen Schutzeffekt im Interesse der Verkehrssicherheit, daß sie auf den Lenker ermahnend und erzieherisch einwirkt.
Beide Funktionen, Gefahrenabwehr einerseits und Verkehrserziehung anderseits, rechtfertigen die Entziehung der Lenkberechtigung. Der Entziehung kommt eine verkehrserzieherische Funktion jedenfalls aber dann auch noch zu, wenn der Ausspruch der Entziehung der Lenkberechtigung nicht unmittelbar nach der Verkehrsübertretung, sondern erst nach Abschluß des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens erfolgt.
Die in §26 Abs3 FührerscheinG vorgesehene befristete Entziehung der Lenkberechtigung erreicht - zumal damit lediglich das vorübergehende Verbot des Lenkens eines Kraftfahrzeugs und weder ein Freiheits- noch ein Eigentumsentzug verbunden ist - noch nicht jene Schwere und Intensität, die einer Strafe gleichkommen würde. Die vorliegende Sicherungsmaßnahme ist daher keine Sanktion mit Strafcharakter iSd Art6 EMRK (bzw. Art4 des 7. ZP EMRK).
Allein schon der Umstand, daß die ebenfalls in Rede stehenden Entziehungsmaßnahmen gemäß §26 Abs1 und Abs2 FührerscheinG aufgrund einer von einem behördlichen Organ durchzuführenden Atemluftkontrolle, einer Blutabnahme oder aufgrund der Verweigerung einer solchen Kontrolle durch den belangten Lenker erfolgen, zeigt, daß die im Entziehungsverfahren maßgeblichen Beweismittel regelmäßig sofort greifbar sind. Längere Zeiträume zwischen Verstoß und Ausspruch der Entziehung bilden die Ausnahme.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Straßenpolizei, Alkoholisierung, Verwaltungsstrafrecht, Strafe, VfGH / Präjudizialität, VfGH / VerfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G203.2002Dokumentnummer
JFR_09969686_02G00203_01