RS Vfgh 2006/3/11 V132/03

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Veröffentlicht am 11.03.2006
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs7
AVG §58 Abs2
ElWOG §25
ÖkostromG §13 Abs1
Systemnutzungstarife-Verordnung 2003 der Energie-Control Kommission (SystemnutzungstarifeV 2003 - SNT-VO 2003)
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Abweisung des Individualantrags eines Netzbetreibers auf Aufhebung von Bestimmungen der Systemnutzungstarife-Verordnung 2003; kein unbegründetes Abweichen von geltend gemachten Kostenpositionen; keine unrichtige Berechnung der Netzverlustkosten; keine Gesetzwidrigkeit wegen Nichtvornahme einer Kostenwälzung; kein Verstoß der SNT-VO 2003 gegen das Ökostromgesetz nach Bereinigung der Rechtslage durch Aufhebung der Bestimmung betreffend Berücksichtigung der Kosten für KWK-Anlagen

Rechtssatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung der im Hauptantrag genannten Bestimmungen der SystemnutzungstarifeV 2003 betreffend Festsetzungen der Systemnutzungstarife hinsichtlich der antragstellenden Gesellschaft mit Ausnahme der Netzbereitstellungsentgelte sowie zusätzlich auf Aufhebung des §1 bis §17 der SNT-VO 2003 (zweiter Eventualantrag).

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Eventualanträge hat der Verfassungsgerichtshof zu beurteilen, ob die geltend gemachten Bedenken jeweils einem Eventualantrag zugeordnet sind, dessen Stattgabe zur Beseitigung der behaupteten Gesetzwidrigkeit führen würde.

Die antragstellende Gesellschaft unterlässt es zwar, ihre Bedenken den Aufhebungs(eventual-)begehren ausdrücklich im Einzelnen zuzuordnen. Für die einzelnen inhaltlichen Argumente der antragstellenden Gesellschaft lässt sich jedoch aus dem Vorbringen gerade noch erschließen, gegen welche der mit den (Eventual-)Anträgen bekämpften Bestimmungen sie jeweils gerichtet sind.

Die antragstellende Gesellschaft wird - nämlich mit dem zweiten Eventualantrag - auch einer Anforderung gerecht, die der Verfassungsgerichtshof im E v 14.12.04, V35/04, und E v 11.06.05, V50/04, für die Zulässigkeit von Anträgen auf Aufhebung (von Teilen) der SNT-VO 2003 dargestellt hat: Wenn eine in einem (Eventual-)Antrag angefochtene allgemeine Berechnungsvorschrift Auswirkungen auf die Festsetzung der Systemnutzungstarife hat, ist deren Anfechtung nur gemeinsam mit der Anfechtung der jeweiligen Tarife zulässig.

Dass die antragstellende Gesellschaft nicht auch das Netzbereitstellungsentgelt und damit nicht sämtliche sie betreffenden Tarife mit anficht, bedeutet nicht, dass der Anfechtungsumfang zu eng wäre, um die behauptete Gesetzwidrigkeit zu beseitigen: Der antragstellenden Gesellschaft steht es frei, sich in einem Individualantrag durch bestimmte Tarifpositionen (hier das Netzbereitstellungsentgelt) nicht als beschwert zu erachten und diese nicht mit anzufechten, auch wenn es nahe läge, etwa das Bedenken, es hätte keine Regelung in Verordnungsform ergehen dürfen, gegen sämtliche Tarifpositionen zu richten.

Sämtliche Bedenken werden daher im Hauptantrag im Zusammenhang mit dem zweiten Eventualantrag in zulässiger Weise geltend gemacht.

Abweisung des Individualantrags der Wienstrom GmbH auf Aufhebung des §1 bis §17, §19 Abs1 Z3 liti, Z4 litl, Z5 litm, Z6 litm, Z7 litm, des §20 Z14 und des §23 Abs3 der SNT-VO 2003.

Keine verschleierte Verfügung in Verordnungsform; Zuständigkeit der Energie-Control Kommission auch zur Regelung der allgemeinen Bestimmungen für die Festsetzung der Systemnutzungstarife (Hinweis auf die Vorjudikatur).

Werden die Tarife - wie im vorliegenden Fall - durch Verordnung festgesetzt, so sind die Bestimmungen des AVG über das Ermittlungsverfahren nicht anzuwenden. Wie das Verfahren ergeben hat, wurden die im Gesetz vorgesehenen Stellungnahmemöglichkeiten ausreichend eingeräumt.

Kein unbegründetes Abweichen von den von der antragstellenden Gesellschaft geltend gemachten Kostenpositionen; keine Begründungspflicht gegenüber dem Normadressaten - wie sie §58 Abs2 AVG für Bescheide vorsieht - für den Verordnungsgeber.

Die antragstellende Gesellschaft geht von der nicht zutreffenden Annahme aus, bei der Festsetzung der Systemnutzungstarife seien ausschließlich die tatsächlichen Aufwendungen des Netzbetreibers zu Grunde zu legen.

Die Forderung, der Tariffestsetzung ausschließlich die Aufwände gemäß der Kostenrechnung zugrunde zu legen, ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Dazu kommt, dass gemäß §14 SNT-VO 2003 integrierte Elektrizitätsunternehmen eine verursachungsgerechte Abgrenzung zwischen den Kosten von Erzeugung und Stromhandel, Übertragung und Verteilung und ihren sonstigen Tätigkeiten vorzunehmen haben, was eine Zuordnung durch die Preisbehörde auch abweichend von den Daten der Kostenrechnung ermöglicht.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich nachvollziehbar und plausibel, weshalb die Energie-Control Kommission nicht alle von der antragstellenden Gesellschaft geltend gemachten Kosten anerkannt hat.

Aus den vorgelegten Verordnungsakten ergibt sich weiters , dass sich die Energie-Control Kommission auf entsprechendem fachlichen Niveau ua mit den von der antragstellenden Gesellschaft vorgebrachten Argumenten und Gutachten auseinander gesetzt hat. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, dass die Entscheidungsgrundlagen derart mangelhaft sind, dass eine Aussage darüber, ob die bekämpfte Verordnung den - im E v 16.10.04, G67/04, näher dargelegten - Zielen des §25 ElWOG entspricht, nicht möglich erscheint.

Keine unrichtige Berechnung der Netzverlustkosten.

Der Verfahrensablauf im Zusammenhang mit der Festlegung des Netzverlustentgelts in §20 Z14 SNT-VO 2003 lässt erkennen, dass die verordnungserlassende Behörde innerhalb des gesetzlich eingeräumten Entscheidungsspielraums gehandelt hat. Sie hat nicht die von den einzelnen Unternehmen geltend gemachten Aufwendungen jeweils voll anerkannt, sondern - im Interesse einer Gleichbehandlung aller Netzbetreiber - für alle einen Beschaffungspreis angenommen, dessen Höhe sie durchaus plausibel erklärt. Sie hält damit die Netzbetreiber

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in gesetzeskonformer Weise - zur Nutzung von Rationalisierungspotentialen an. Dass die Energie-Control Kommission

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wie die antragstellende Gesellschaft behauptet - eine vierjährige Regulierungsperiode angestrebt habe, wird durch den zitierten Protokollauszug nicht bestätigt. Vielmehr wird eine Neubewertung für den Fall weiter steigender Energiekosten in Aussicht gestellt.

Der verordnungserlassenden Behörde kann schließlich nicht entgegen getreten werden, wenn sie für die antragstellende Gesellschaft nicht den vollen erhöhten Beschaffungspreis anerkannt hat, sondern eine lineare prozentuelle Erhöhung ausgehend von der in der SNT-VO 2002 anerkannten Kostenbasis vorgenommen hat.

Keine Gesetzwidrigkeit wegen Nichtdurchführung einer Kostenwälzung; zur Auslegung des §15 Abs7 SNT-VO 2003 vgl E v 11.03.06, V136/03 ua.

Die Energie-Control Kommission hat innerhalb ihres Gestaltungsspielraums gehandelt, wenn sie aufgrund des Unterbleibens einer Forderung der antragstellenden Gesellschaft im Verordnungserlassungsverfahren nach einer Neudurchführung der Kostenwälzung keine solche Neufestsetzung durchgeführt hat. Denn die Netzbetreiber haben naturgemäß den besten Zugang zu den technischen Daten, deren Veränderung für das Ergebnis einer neuerlichen Kostenwälzung ausschlaggebend ist.

Die Behauptung der antragstellenden Gesellschaft, sie hätte die Nichtdurchführung einer neuen Kostenwälzung im Verordnungserlassungsverfahren beanstandet, trifft nicht zu.

Kein Verstoß der SNT-VO 2003 gegen §13 ÖkostromG.

Die Anlassfallwirkung gilt auch für die Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung, deren Inhalt durch die verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung vorgegeben wird. Auch für ein solches Verordnungsprüfungsverfahren ist die Anwendbarkeit der als verfassungswidrig erkannten Norm beseitigt.

Nach Bereinigung der Rechtslage (she G143/05, E v 04.03.06) kommt allerdings ein Verstoß der SNT-VO 2003 gegen den verbleibenden Inhalt des §13 Abs1 ÖkostromG nicht mehr in Frage, da diese Bestimmung keinen Bezug auf die Systemnutzungstarifierung mehr aufweist. Die Nichtanerkennung von fiktiven Kosten im Zusammenhang mit KWK-Anlagen in der angefochtenen Verordnung entspricht zweifelsfrei der verbleibenden gesetzlichen Grundlage der SNT-VO 2003 in §25 ElWOG.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, Preisrecht, Verordnungserlassung, VfGH / Anlaßfall, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Individualantrag, VfGH / Bedenken, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Prüfungsumfang, Bescheidbegründung, Begründung Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V132.2003

Dokumentnummer

JFR_09939689_03V00132_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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