Index
L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Tir. Grundverkehrsgesetz 1970, keine Bedenken gegen §10; keine Beschwer des Verpflichteten bei Genehmigung des Zuschlages; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 117 II KG P., die im Wege der Zwangsversteigerung der Meistbieterin zugeschlagen wurde. Mit Bescheid vom 27. Oktober 1978 wurde der exekutiven Eigentumsübertragung gemäß §10 Tir.
Grundverkehrsgesetz 1970, LGBl. 4/1971 idF LGBl. 6/1974 (künftig: GVG) die Zustimmung erteilt.
2. Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 20. Feber 1979, LGv-266/3-78, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß den Vertragsparteien gegen eine positive Erledigung ihres Ansuchens um grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Vertrages ein Berufungsrecht nicht zustehe. Die Stellung des Verpflichteten und des Meistbietenden in einem Versteigerungsverfahren sei aus der Sicht des Grundverkehrsgesetzes keine andere, da die Willenseinigung von Vertragsparteien im Exekutionsverfahren durch den Zwang zur Versteigerung und den Hoheitsakt des Zuschlages ersetzt werde. Das Interesse des Verpflichteten könne daher höchstens ein wirtschaftliches sein, das eine Parteistellung nicht begründe. Damit fehle dem Beschwerdeführer die Berufungslegitimation.
3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vermeint der Beschwerdeführer, daß sich die belangte Behörde schon dadurch selbst widerlege, daß sie einerseits seine Stellung mit der einer Vertragspartei gleichsetze, der ein Berufungsrecht zumindest gegen eine negative Erledigung zustehe, andererseits seine Parteistellung und damit seine Berufungslegitimation überhaupt verneine. Wenn ihm als Verpflichteten des Versteigerungsverfahrens das Berufungsrecht verweigert werde, weil Vertragsparteien eine Berufungslegitimation gegen eine positive Erledigung nicht zustehe, sei dies schon insoferne verfehlt, weil bei einer vertraglichen Eigentumsübertragung die Interessenslage völlig anders sei als bei einer exekutiven. In einem Versteigerungsverfahren sei der Zuschlag evidentermaßen zum Nachteil des Verpflichteten, der dadurch sein Eigentumsrecht verliere und hiefür in der Regel eine nur unzulängliche Gegenleistung erhalte. Dies führe zu Bedenken gegen §10 GVG, sodaß der Beschwerdeführer anrege, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
2. Nach der Rechtsprechung des VfGH wird durch die Zurückweisung einer verfahrensrechtlich zulässigen Berufung (darin liegt die Verweigerung einer Sachentscheidung, auf die der Berufungswerber nach dem Gesetz Anspruch hat) das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (VfSlg. 4021/1961, 5230/1966, 5448/1967). Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Unzulässigkeit der Berufung zu Unrecht mit dem Mangel der Parteistellung des Berufungswerbers begründet ist (VfSlg. 2903/1955, 3212/1957, 3697/1960, 5162/1965). Gemäß §13 Abs3 GVG können gegen die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde die Parteien, der Landesgrundverkehrsreferent, bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z1 auch die Bezirkslandwirtschaftskammern, bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z2 auch die Gemeinde die Berufung einbringen. Darüber, wem Parteistellung zukommt, enthält das GVG (darüberhinaus) keine ausdrücklichen Bestimmungen.
Für das behördliche Verfahren der Grundverkehrsbehörden finden gemäß ArtII Abs2 Punkt 16 EGVG 1950 idgF die Bestimmungen des AVG Anwendung. Die Frage der Parteistellung des Verpflichteten eines Zwangsversteigerungsverfahrens in einem grundverkehrsbehördlichen Verfahren gemäß §10 Abs1 GVG betreffend die Genehmigung des Zuschlages an einen Meistbietenden ist somit an Hand des §8 AVG zu beantworten. Nach dieser Bestimmung kommt Parteistellung den Personen zu, die an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. Dafür, wann und inwieweit eine Beteiligung vermöge eines Rechtsanspruches oder vermöge eines rechtlichen Interesses gegeben ist, sind nach ständiger Rechtssprechung des VfGH die anzuwendenden Verwaltungsvorschriften maßgeblich (VfSlg. 4227/1962, 5271/1966, 5358/1966, 5648/1967, 6010/1969). Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens ("Sache" iS des §8 AVG) im Falle der Übertragung des Eigentums an den Meistbietenden eines Zwangsversteigerungsverfahrens ist gemäß §10 Abs1 GVG die Genehmigung der Erteilung des Zuschlages und dessen Verlautbarung (§183 Abs1 und 3 EO) unter dem Gesichtspunkt der nach §4 Abs1 GVG maßgeblichen öffentlichen Interessen.
In einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung liegt die Entscheidung, daß der Übertragung bestimmte vom Gesetz angeführte Umstände nicht entgegenstehen; mit der Verweigerung der Genehmigung wird aus öffentlich-rechtlichen Gründen untersagt, eine Liegenschaft zu übertragen und diese zu übernehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl. VwSlg. 4916 A/1959, VwGH 25. 4. 1963 Z 610/63, 16. 5. 1963 Z 868/62, sowie 3. 5. 1968 Z 1805, 1806/67) kann ein Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Vertragspartner nur durch die Versagung der Zustimmung zur Eigentumsübertragung in seinen Rechten verletzt werden, da das rechtliche Interesse der Beteiligten im Verfahren vor den Grundverkehrsbehörden allein auf die Abwehr eines auf öffentlichem Recht beruhenden Eingriffes in ihre Privatrechtssphäre gerichtet ist. Bei einer Zwangsversteigerung wird aber die Zustimmung des Verpflichteten durch die Erteilung des gerichtlichen Zuschlages ersetzt. Der Verpflichtete befindet sich somit in derselben rechtlichen Situation, als wenn er über sein Eigentum als Vertragspartner einen Kaufvertrag abgeschlossen hätte. Er hat daher wohl einen Rechtsanspruch darauf, daß der Zuschlag an den Meistbietenden bei Vorliegen der nach dem GVG geforderten Voraussetzungen erteilt wird, wird aber durch die Genehmigung des Zuschlages, gleich einem Verkäufer bei einem Veräußerungsgeschäft in seinen privatrechtlichen Interessen nicht berührt; die öffentlichen Interessen hat aber allein die Behörde zu wahren. Dem Beschwerdeführer mangelt somit bei Genehmigung eines Zuschlages jede Beschwer.
Da ein prozessuales Recht als Mittel der Rechtsverfolgung nicht weiter gehen kann, als das dahinter stehende materielle Recht, das im Prozeß (im Verwaltungsverfahren) durchgesetzt werden soll (der VfGH schließt sich dieser vom VwGH im Erk. vom 7. Juni 1971, Z 1863/70, geäußerten Rechtsansicht an), ist auch das Berufungsrecht des Beschwerdeführers im Administrativverfahren in gleicher Weise umfänglich begrenzt. Nur die Verweigerung einer Genehmigung des Zuschlages konnte sohin vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bekämpft werden. Daraus folgt die Unzulässigkeit der gegen die Genehmigung des Zuschlages gerichteten Berufung des Beschwerdeführers.
Der VfGH sieht auch keine Veranlassung, der Anregung des Beschwerdeführers zu entsprechen, ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des §10 GVG einzuleiten. Mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung hat sich der VfGH bereits im Erkenntnis VfSlg. 8216/1977, wenn auch auf Grund von Bedenken, die aus anderer Sicht entstanden waren, befaßt und damals ausgesprochen, daß §10 GVG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Zu Bedenken anderer Art sieht der VfGH aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keinerlei Anlaß.
3. Aus den vorausgehenden Ausführungen ergibt sich nicht nur, daß die belangte Behörde mangels Parteistellung des Verpflichteten die Fällung einer Sachentscheidung zu Recht verweigert hat, sondern auch, daß dem angefochtenen Bescheid ausschließlich verfahrensrechtliche Wirkungen beizumessen sind.
Ausgehend von der Unbedenklichkeit der angewendeten Normen kann der Beschwerdeführer durch einen solchen Formalbescheid auf Zurückweisung einer Berufung als unzulässig nur in einem formellen Recht, nie aber in einem materiellen Recht, über das gar nicht entschieden wurde, verletzt worden sein.
4. Da der Beschwerdeführer somit weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Parteistellung, Parteistellung Grundverkehrsrecht, Versteigerung exekutive, Beschwer, Berufung, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1980:B170.1979Dokumentnummer
JFT_10198787_79B00170_00