TE Vfgh Erkenntnis 1983/7/1 B385/82

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Veröffentlicht am 01.07.1983
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
AVG §18 Abs4
Wr VergnügungssteuerG 1963 §2 Abs1 Z5
Wr VergnügungssteuerG 1963 §26 Abs3 idF LGBl 16/1981

Leitsatz

Wr. Vergnügungssteuergesetz; keine Bedenken gegen §26 Abs3 idF LGBl. 16/1981

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das VergnügungssteuerG für Wien, Anlage zur Kundmachung LGBl. 11/1963 (hier WrVgStG) erklärt unter anderem das Halten von Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- oder ähnlichen Apparaten zu steuerpflichtigen Vergnügungen (§2 Abs1 Z5). Betreffs der Höhe der Steuer bestimmt §26 idF der Nov. LGBl. 16/1981:

"(1) Für das Halten von Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- und ähnlichen Apparaten, wie zB Flipper, Schießapparate, Kegelautomaten, TV-Spielapparate, Fußballspiel- und Hockeyautomaten und Guckkasten mit Darbietungen, die ausschließlich für Personen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr geeignet sind, beträgt die Vergnügungssteuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1000 S, sofern nicht die Voraussetzungen nach den Abs2 oder 3 zutreffen. Sind mehrere Schießapparate zu einer Schießgalerie zusammengefaßt, so ist jeder Apparat gesondert zu versteuern.

(2) Für das Halten von Fußballtischen, Fußball- und Hockeyspielapparaten ohne elektromechanische Bauteile, Guckkasten mit Darbietungen, die für Personen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr geeignet sind, sowie von Kinderreit- und -schaukelapparaten oder anderen für vorschulpflichtige Kinder bestimmten Apparaten beträgt die Vergnügungssteuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 120 S.

(3) Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann oder bei denen ein Spielergebnis angezeigt wird und von Apparaten, durch deren Betätigung optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung, so insbesondere die Verletzung oder Tötung eines Menschen, dargestellt wird, beträgt die Vergnügungssteuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat 10.000 S."

In der Fassung der Nov. 1976 waren Steuerbeträge von 500 S, 100 S und dem Vierfachen dieser Beträge (oder 25% der mit dem Apparat erzielten Einnahmen) vorgesehen gewesen.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien (ausgefertigt durch die Magistratsdirektion - Rechtsmittelbüro) wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft mbH für das Halten eines Spielapparates mit der Möglichkeit der Anzeige eines Spielergebnisses in Wien für den Monat August 1981 Vergnügungssteuer im Betrag von 10.000 S vorgeschrieben; zugleich wurde ihr ein Säumniszuschlag von 200 S auferlegt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Verfassungswidrigkeit des §26 Abs3 WrVgStG behauptet und die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, Freiheit der Erwerbsausübung und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerügt.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die Angriffe der Beschwerde richten sich ausschließlich gegen das Gesetz. Die erhöhte Steuer auf Spielapparate mit Gewinnmöglichkeit, Ergebnisanzeige oder Agressionsdarstellung verstoße als eine Erdrosselungssteuer mit konfiskatorischem Charakter gegen Art5 StGG, ferner wegen der versteckten Absicht, die Ausübung eines Erwerbszweiges unmöglich zu machen, auch gegen Art6 StGG und schließlich zufolge Unabhängigkeit vom erzielten Umsatz gegen Art2 StGG und Art7 B-VG.

Die belangte Behörde verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes unter Hinweis auf die von der Wr. Landesregierung zu G62/81 abgegebene Äußerung, wonach die Zahl der einschlägigen Spielapparate trotz erhöhter Besteuerung nicht zurückgegangen sei, die nur unter Gesetzesvorbehalt gewährleisteten Grundrechte im Wesen nicht geschmälert worden seien, der Landesgesetzgeber sogar ein Verbot solcher Apparate erlassen könne (weshalb auch unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten gegen die Regelung nichts einzuwenden sei) und die Differenzierung in der Besteuerung auch sachlich sei.

2. Der VfGH hat gegen §26 Abs3 WrVgStG unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Die Unversehrtheit des Eigentums und die Freiheit der Erwerbsausübung (Art5 und 6 StGG) sind nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Dem Gesetzgeber steht daher ein Eingriff in diese Rechte grundsätzlich frei. Der Gerichtshof hat zwar wiederholt ausgesprochen, daß dabei der Wesensgehalt des Grundrechtes nicht berührt (VfSlg. 4486/1963, 8981/1980), das Grundrecht also in seinem Wesen nicht geschmälert werden (VfSlg. 6533/1971) und der Gesetzgeber die in der Natur der zu regelnden Materie liegenden Grenzen nicht überschreiten darf (VfSlg. 4011/1961, 4163/1962, 7304/1964, 7770/1976 und 7996/1977). Eine solche exzessive Regelung kann aber in der vorliegenden Bestimmung nicht gesehen werden:

Der Gesetzgeber kann die seinem Zugriff offenstehenden Steuerquellen bestmöglich erschließen und dabei auch andere als fiskalische Zwecke mit verfolgen (VfSlg. 5268/1966, 8457/1978). Die Zielsetzung, eine Zunahme von Spielautomaten der im Gesetz beschriebenen Art zu verhindern und ihre Zahl eher zu verringern (Abgeordneter Hofstetter in der 19. Sitzung des Landtages vom 27. März 1981, S 7: "... weil wir damit erreichen wollten, daß eine gesellschaftspolitische Entwicklung verhindert wird, die wir nicht wünschen, eine Entwicklung, in der die Spielleidenschaft weiter angestachelt wird"), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es wird dadurch nicht die Ausübung eines ganzen Erwerbszweiges unmöglich gemacht. Daß die Regelung die Rentabilität solcher Automaten herabsetzt und Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen kann, ist nicht zu bezweifeln. Ein solcher Effekt kann bei jeder Besteuerung eintreten. Wer seinem Erwerb ausschließlich oder vorwiegend mit jenen Geräten nachgeht, die ein Gesetz höher besteuert oder gar verbietet, wird dadurch besonders hart getroffen. Der Wesensgehalt der Grundrechte wird allein dadurch nicht berührt.

Im einzelnen werden die Auswirkungen davon abhängen, wieviel das Publikum für die Betätigung solcher Automaten - deren Halter alle die gleiche Belastung trifft - noch zu zahlen bereit ist und mit welchem Aufwand die entscheidende Eigenschaft - hier vor allem die Ergebnisanzeige - allenfalls beseitigt oder ein günstigerer Standort für das Gerät gefunden werden kann. Daß die Steuerbelastung überhaupt zum Versiegen der Steuerquelle führen soll und wird ("Erdrosselungssteuer"), ist angesichts der seit 1981 im wesentlichen gleichgebliebenen Zahl der angemeldeten Automaten der in Rede stehenden Kategorie nicht anzunehmen, sodaß die Qualifikation der vom Gesetz geforderten Geldleistung als Abgabe nicht in Zweifel gezogen werden kann. Das von der Beschwerde erwähnte Rundschreiben des Magistrats an die mithaftenden Gastwirte, die Geltendmachung der Haftung könnte sich bei längeren Rückständen existenzbedrohend auswirken, sagt über die mit der Abgabe verfolgten Zwecke und ihre Wirkung bei laufender Entrichtung nichts aus. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob eine prohibitive Besteuerung des Haltens bestimmter Spielautomaten bereits den Wesensgehalt des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsausübung verletzen würde.

Welche Grenzen dem Gesetzgeber aus der Sicht der durch die Auswirkungen der Abgabe betroffenen Materie gezogen sind, kann hier überhaupt unerörtert bleiben, weil nur das Veranstaltungswesen in Betracht käme, zu dessen Regelung gleichfalls der Landesgesetzgeber zuständig ist.

b) Das Gleichheitsrecht sieht die Beschwerde verletzt, weil Spielautomaten ohne Rücksicht auf den Umsatz verschieden hoch besteuert würden, während durch Anbringen von Zählwerken eine umsatzorientierte Besteuerung herbeigeführt werden könnte.

Das Halten von Spielautomaten kann indessen nach verschiedenen Methoden besteuert werden. Der Steuer unterworfen ist ja nicht das Einkommen oder der Umsatz, sondern die veranstaltete Vergnügung. Der Gesetzgeber kann dabei an den Ertrag oder an den Umsatz anknüpfen, er kann nach der bloßen Ertragsfähigkeit des Gerätes unterscheiden, er kann aber auch jede Spielgelegenheit mit dem gleichen Betrag belegen. In der Festsetzung des gleichen Steuerbetrages für jeden der in Rede stehenden Automaten könnte eine Ungleichbehandlung nur liegen, wenn die Unterschiede im Tatsächlichen so schwerwiegend wären, daß eine Gleichbehandlung unsachlich wäre. Warum das hier der Fall sein soll, tut die Beschwerde nicht dar.

Soweit die beschwerdeführende Gesellschaft in anderem Zusammenhang bemängelt, daß im wesentlichen gleichartige Typen von Spielautomaten willkürlich verschiedenen Steuerbeträgen unterworfen werden, geht sie offenbar davon aus, daß zwischen Automaten mit Ergebnisanzeige und anderen Typen infolge der Gleichartigkeit des Vergnügens kein steuerlich beachtlicher Unterschied bestehe. Dieser Einwand kann - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht schon durch den Hinweis darauf abgetan werden, daß Geräte mit Gewinnmöglichkeit nur einen Unterfall der Geräte mit Ergebnisanzeige bilden. Auch fiskalische Erwägungen können die Differenzierung nicht erklären. Daß Apparate mit Ergebnisanzeige attraktiver sind, könnte zwar im Hinblick auf ihre höhere Ertragsfähigkeit von Bedeutung sein, doch stünde das in einem gewissen Gegensatz zur Behauptung der Behörde, daß die Anzeige für das Spiel selbst nicht essentiell sei, und wäre auch mit der sonstigen Gleichgültigkeit der Ertragsfähigkeit nicht vereinbar. Das treibende Motiv des Gesetzgebers dürfte in Wahrheit der Versuch sein, versteckte Gewinnauszahlungen dadurch zu vereiteln, daß alle Apparate höher besteuert werden, die durch ihre technische Beschaffenheit die Voraussetzungen für eine solche Gewinnauszahlung schaffen. Im Hinblick auf die Aufgabe des VfGH, das Ergebnis eines Gesetzgebungsaktes und nicht die Motive des Gesetzgebers zu prüfen, muß jedoch davon ausgegangen werden, daß der erklärte gesellschaftspolitische Zweck der Steuererhöhung es rechtfertigt, unter anderem jene Spielautomaten stärker zu belasten, die das Spielergebnis gegenüber dem Akt des Spielens selbst in einer Weise hervorheben, die sie dem Gewinnspiel auch dann näherstehen läßt, wenn ein solcher Gewinn im Einzelfall nicht ausgezahlt wird.

Auch den Gleichheitsatz hat der Gesetzgeber also nicht verletzt.

3. Die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Vollziehung hat die beschwerdeführende Gesellschaft nicht behauptet; sie ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen.

Bemerkt sei, daß gegen die Ausfertigung des Bescheides der Abgabenberufungskommission durch die Rechtsmittelabteilung der Magistratsdirektion keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. zB VfSlg. 6178/1970). Auch der Umstand, daß der VwGH nach seinem Erk. 82/17/0068 vom 11. März 1983 in einem solchen Vorgang ungeachtet der Zurechnung des Bescheides an die auch tatsächlich tätig gewordene zuständige Berufungsbehörde einen Verfahrensmangel erblickt, der die Zuständigkeit selbst berührt, kann an dieser Beurteilung nichts ändern.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Schlagworte

Vergnügungssteuer, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Spielapparate

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B385.1982

Dokumentnummer

JFT_10169299_82B00385_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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