TE OGH 1984/12/13 13Os192/84

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Veröffentlicht am 13.12.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Dezember 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mahn als Schriftführers in der Strafsache gegen Heinz A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 5.Oktober 1984, GZ 5b Vr 2434/84-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Ersten Generalanwalts Dr. Nurscher, des Angeklagten Heinz A und des Verteidigers Dr. Waneck zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen, Heinz A habe durch das ihm zur Last gelegte Verhalten den Robert B 'zumindest des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses falsch verdächtigt' und 'die fälschlich angelastete Handlung sei mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht', er habe hiedurch 'das Verbrechen der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB' begangen, sowie im Strafausspruch aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Heinz A hat den Robert B des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB falsch verdächtigt.

Er hat hiedurch das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 4.März 1943 geborene technische Angestellte Heinz A wurde des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 25.August 1983 in Wien den Robert B dadurch der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn in einer an die Staatsanwaltschaft Wien gerichteten Eingabe bewußt unwahr beschuldigte, sich als Obergärtner der STADT WIEN an ihm unterstellte weibliche Aushilfskräfte heranzumachen und sie durch das Versprechen einer Verwendung für ihre fixe Anstellung zu veranlassen, sich ihm hinzugeben; derzeit habe er eine 1964 geborene Aushilfskraft unter seinen Fittichen; die jungen Frauen und Mädchen sähen keine andere Wahl und fügten sich ihrem Schicksal, um ihren Posten zu behalten. Das Erstgericht sah darin den Vorwurf des mit mehr als einjähriger Strafe bedrohten Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 Abs 1 StGB) und verurteilte den Angeklagten demgemäß wegen Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich Heinz A mit seiner (fälschlich als Berufung punkto Nichtigkeit bezeichneten) Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 (gemeint lit a und c, sachlich auch Z. 10) StPO stützt. Die Mängelrüge bezeichnet die Urteilsgründe als undeutlich und unzureichend, weil sie sich nicht mit allen Ergebnissen des Beweisverfahrens auseinandersetzen. So sei unerörtert geblieben, daß der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an die Staatsanwaltschaft nur um Prüfung des Sachverhalts ersuchte, ob dieser einen strafbaren Tatbestand darstelle. Daraus lasse sich ableiten, daß er zwar keine Gewißheit über allfällige Vorkommnisse zwischen B und verschiedenen Aushilfskräften gehabt habe, daß er aber eine Prüfung seines Verdachts erhoffte. Auch in Briefen an andere Behörden habe er denselben, in die Form einer Vermutung gekleideten Vorwurf gegen B erhoben, woraus sich keinesfalls der für eine Verleumdung qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) hinsichtlich der Unrichtigkeit der Beschuldigung erschließen lasse. Entgegen diesem Vorbringen hat sich das Gericht eingehend mit den für und gegen den Angeklagten sprechenden Beweismitteln befaßt und seine überlegungen hiezu in der nach § 270 Abs 2 Z. 5 StPO gebotenen gedrängten Zusammenfassung dargetan (S 204 bis 206). Der Angeklagte, der sich eingangs der Verhandlung ausdrücklich schuldig bekannt hat (S. 191), hat seine Bezichtigungen keineswegs in die Form einer Mutmaßung gekleidet, sondern nur die Frage aufgeworfen, ob das von ihm angezeigte Verhalten strafbar sei. In Bestreitung des Wissens um die Unrichtigkeit der Anschuldigungen gegen B bekämpft der Nichtigkeitswerber in Wahrheit nur unzulässig die unbedenkliche Beweiswürdigung.

Auch der rechtliche Einwand (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO), der Beschwerdeführer habe den Gärtner B nicht beschuldigt, mit Minderjährigen unerlaubten geschlechtlichen Umgang gepflogen zu haben, nur ein derartiges Verhalten wäre aber nach § 212 StGB strafbar, schlägt nicht durch. Der Gerichtshof hat nämlich (allerdings unter Berücksichtigung weiterer, von der Anklage nicht erfaßter Anzeigen, die der Rechtsmittelwerber an andere Behörden erstattet hat und in denen er dem Robert B bewußt wahrheitswidrig ähnliche Verfehlungen mit 'abhängigen Minderjährigen' vorwarf; z.B. S. 19, 204) zutreffend ausgesprochen, es habe das Schreiben an die Staatsanwaltschaft den Vorwurf geschlechtlicher Betätigung mit einer Minderjährigen enthalten, die unter Aufsicht des Gärtners B stand. Hat der Beschwerdeführer doch darin ausdrücklich ein im Jahr 1964 geborenes Mädchen erwähnt, womit er Gabriele C (jetzt verehelichte B) gemeint hat, mit der er früher ein intimes Verhältnis unterhalten hatte und deren Alter er kannte. Gabriele C ist am 28.September 1964 geboren, hatte also im Zeitpunkt, in dem die Anschuldigung bei der Staatsanwaltschaft einlangte (6.September 1983: S. 7), das neunzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet und war daher damals noch minderjährig (§ 74 Z. 3 StGB).

Mit der Behauptung, es fehle an einem berechtigten Ankläger, weil sich spätestens in der Hauptverhandlung herausgestellt habe, daß der Beschwerdeführer nicht mit Verleumdungsvorsatz gehandelt habe, er daher nur wegen des Privatanklagedelikts der Ehrenbeleidigung zu verfolgen gewesen wäre, macht der Beschwerdeführer primär § 281 Abs 1 Z. 10, weitergreifend Z. 9

lit c StPO geltend. Da aber dieses Vorbringen von den urteilsmäßigen Feststellungen abweicht, fehlt es hier an der gesetzmäßigen Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrunds. Die Frage der Zuständigkeit für die Anklageerhebung ist ausschließlich an Hand des Urteils zu überprüfen; das aber spricht aus, daß eine Verleumdung, sohin eine in die Zuständigkeit des öffentlichen Anklägers fallende strafbare Handlung begangen wurde. Unrichtig ist schließlich, daß dem Beschwerdeführer in der Anklage gar nicht angelastet werde, er habe B bewußt wahrheitswidrig beschuldigt, mit von ihm abhängigen minderjährigen Mädchen geschlechtlich zu verkehren. Liest man Spruch und Gründe der Anklage im Zusammenhang, dann ergibt sich dieser Vorwurf eindeutig. Es ist daher auch insoweit kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen. Die Schuldberufung mußte zurückgewiesen werden, weil ein solches Rechtsmittel gegen Urteile der Kollegialgerichte nicht vorgesehen ist.

Indes leidet das Urteil an einer von der Beschwerde nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z. 10 StPO, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290Abs 1 StPO).

Der Vorwurf, den der Beschwerdeführer gegen B erhoben hat, betrifft erklärtermaßen den sexuellen Umgang mit minderjährigen Mädchen. Allerdings wird inhaltlich der allein inkriminierten Anzeige an die Staatsanwaltschaft (S. 7) nicht zugleich der Vorwurf des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses erhoben. Insoweit unterlag das Gericht einem Rechtsirrtum, denn aus dem nur abschließend und beiläufig erwähnten 'Abhängigkeitsverhältnis' von einem lediglich bei der Verrichtung von Gartenarbeiten Vorgesetzten ist noch nicht ein faktischer Autoritätsbezug abzuleiten, der unter § 212 Abs 1 StGB (Erziehung, Ausbildung, Aufsicht) subsumiert werden könnte. In Wahrheit wird Robert B sinngemäß vorgeworfen, daß er den meistens noch minderjährigen weiblichen Aushilfskräften verspricht (gemeint: vorspiegelt), sich auf Grund seiner Stellung für sie verwenden zu wollen und solcherart erreichen zu können, daß sie noch im selben Jahr zur begehrten Anstellung kommen, wofür sie als Gegenleistung in den Beischlaf mit ihm einwilligen müßten. Damit wird B bezichtigt, die weiblichen Mitarbeiterinnen durch diese Täuschung an ihrem Recht auf sexuelle Dispositionsfreiheit (SSt. XX/94, Foregger-Serini MKK. 3 S. 267) absichtlich zu schädigen.

Daß der sohin das Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB verkörpernde, fälschlich erhobene Vorwurf ein Ermächtigungsdelikt (§ 108 Abs 2 StGB) betrifft, verschlägt nichts, weil auch ein solches eine von Amts wegen zu verfolgende, mit Strafe bedrohte Handlung ist (§ 2 Abs 3 StPO;

Leukauf-Steininger 2 RN. 8 zu § 297 StGB).

Freilich ist das Vergehen nach § 108 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe nur bis zu einem Jahr bedroht. Die Verleumdung wegen dieses Delikts ist demnach bloß als Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu ahnden (§ 297 Abs 1, erster Strafsatz, StGB).

Es war daher nach Aufhebung und Korrektur der verfehlten Aussprüche des angefochtenen Urteils und Kassierung auch des Strafausspruchs die Strafe neu zu bemessen.

Dabei waren erschwerend eine gewisse Hartnäckigkeit der einen verleumderischen Charakter aufweisenden Aktivitäten des Angeklagten, wie sie in der Mehrzahl von Eingaben an verschiedene Dienststellen zum Ausdruck kommt, mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit und der wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung durch das Eingeständnis, der Verfasser der inkriminierten Anzeige zu sein. Eine Freiheitsstrafe von drei Monaten wird der Tat und dem Täter gerecht.

Der Umwandlung in eine Geldstrafe standen die angeführte Hartnäckigkeit und der Umstand entgegen, daß dem Angeklagten jegliche Schuldeinsicht fehlt.

Darnach waren es spezialpräventive Gründe (siehe § 37 StGB), welche die Verhängung einer Freiheitsstrafe geboten. Die bedingte Strafnachsicht mußte beibehalten werden (§ 290 Abs 2 StPO). Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E05096

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0130OS00192.84.1213.000

Dokumentnummer

JJT_19841213_OGH0002_0130OS00192_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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