TE OGH 1988/6/7 15Os44/88

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Veröffentlicht am 07.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Juni 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Walter H*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (dritter und letzter Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Walter H*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.Dezember 1987, GZ 5 b Vr 10.992/87-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Walter H*** und des Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter H*** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (dritter und letzter Fall) StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 6.Oktober 1987 in Wien die Petra B*** durch gefährliche Drohung

1. mit der Vernichtung ihrer gesellschaftlichen Stellung, nämlich durch die telefonische Ankündigung, wenn sie nicht für ihn einen Kredit aufnehme, werde er die pornographischen Fotos, die er von ihr gemacht habe, ihrem Chef zeigen;

2. mit einer auffallenden Verunstaltung, nämlich durch die weitere telefonische Äußerung, wenn sie den Kredit für ihn nicht aufnehme, werde er sie niederschlagen und ihre Kniescheiben zertrümmern, zu einer Handlung, nämlich zur Aufnahme eines Kredits für ihn in der Höhe von mindestens 50.000 S zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer einleitend, der Ausspruch des Erstgerichtes über seinen Vorsatz, insbesonders in Ansehung der Qualifikation nach § 106 StGB, sei mangelhaft begründet. Dabei wird aber nicht ausgeführt, inwiefern die (dementgegen in Wahrheit durchaus mängelfrei begründeten) Urteilsfeststellungen (US 11 f) die insoweit (im wesentlichen nur durch die Zitierung der verba legalia) behaupteten Begründungsmängel tatsächlich aufweisen sollten. Dieser unsubstantiierte Teil der Mängelrüge entzieht sich somit einer argumentationsbezogenen Erörterung.

Als Unvollständigkeit des Urteils macht der Nichtigkeitswerber sodann konkret geltend, es sei unerörtert geblieben, daß die Zeugin R*** nicht aussagte, Petra B*** habe ihr unmittelbar nach dem Telefonat mit dem Angeklagten die inkriminierte Drohung mit der Zertrümmerung der Kniescheiben mitgeteilt. Dieser Begründungsmangel liegt jedoch nicht vor. Das Erstgericht hat nämlich - im Einklang mit den Beweisergebnissen - ohnehin festgestellt, daß die Zeugin B*** ihrer Bürokollegin R*** nur "Bruchstücke des Gesprächs" mitteilte, wobei sie eine Erpressung, Fotos und das angebliche Einschlagen der Firmentüre erwähnte (US 7 unten). Da sohin eine Wiedergabe des gesamten Gesprächsinhaltes durch B*** von R*** gar nicht behauptet wurde, bedurfte es keiner Erörterung des Umstandes, daß letztere über eine die Androhung der Zertrümmerung der Kniescheiben betreffende Mitteilung seitens ersterer nichts auszusagen wußte. Damit aber, daß B*** meinte, sie habe R*** nichts von der Bedrohung mit dem Herzeigen der pornographischen Fotos erzählt (S 163), während letztere sich doch an eine derartige (allerdings nur vage) Mitteilung betreffend Fotos schlechthin erinnerte (S 170), hat sich das Erstgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen ohnedies auseinandergesetzt (US 8). Auch das Vorbringen zur Z 5 a, das zwar im Vorgriff auf das zum Zeitpunkt der Rechtsmittelausführung (§§ 284, 285 StPO) noch nicht rechtswirksam gewesene Strafrechtsänderungsgesetz 1987 nicht unzulässig ist (vgl. 14 Os 41/77) und Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdeführers zu erwecken trachtet, ist nicht begründet. Nach eingehender Prüfung der zu diesem Nichtigkeitsgrund vorgebrachten Einwände und des Akteninhaltes gelangt der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß sich gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen - bei Bedacht auf § 258 Abs 2 StPO - keine erheblichen Bedenken ergeben. Zur Rechtsrüge (in der Beschwerdeschrift Z 9 lit a, im Gerichtstag mit Z 10 richtiggestellt) behauptet der Angeklagte, es sei nicht festgestellt, daß sein Vorsatz auch auf Verwirklichung der Qualifikation des § 106 Abs 1 Z 1 StGB gerichtet war. Mit diesem Vorbringen werden jedoch jene Urteilsfeststellungen übergangen, wonach er die Bereitschaft der Petra B*** zur Aufnahme eines Kredits durch die Androhung der Zertrümmerung der Kniescheiben (dritter Anwendungsfall) herbeiführen wollte und wonach er zu diesem Zweck auch das Vorzeigen der pornographischen Fotos beim Chef androhte, wobei er von der Wirkung des solcherart angedrohten Verhaltens, ihre Zuordnung zur untersten sozialen Schicht herbeizuführen (letzter Qualifikationsfall), wußte und gerade deshalb zu solchen, sonst nur im Zuhältermilieu üblichen Drohungen griff (US 11 f). Damit werden nicht nur die äußere, sondern auch die innere Tatseite in Ansehung des Grundtatbestands nach § 105 Abs 1 StGB gleichwie der Qualifikationsmerkmale des § 106 Abs 1 Z 1 dritter und letzter Fall StGB klar zum Ausdruck gebracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde, welche insoweit nicht auf den Urteilsinhalt abstellt, ist daher in diesem Punkte nicht gesetzmäßig ausgeführt. Unter Bezugnahme auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO vermeint der Beschwerdeführer, daß eine Zertrümmerung der Kniescheibe keine auffallende Verunstaltung bedeute und auch das Vorzeigen von pornographischen Fotos keineswegs zur Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung der Abgebildeten führe, sodaß die Qualifikation des § 106 Abs 1 Z 1 StGB nicht verwirklicht seien. Zum ersten Vorbringen genügt indessen der Hinweis auf die zutreffenden Rechtsausführungen im Ersturteil: Auffallend verunstaltet kann nicht nur das Gesicht, sondern der gesamte Körper werden, wobei Verunstaltung auch dann gegeben ist, wenn sie erst durch die Bewegung des Körpers (etwa beim Gehen), nicht aber in Ruhelage sichtbar wird. Die Androhung der Zertrümmerung der Kniescheiben suggeriert dem Bedrohten geradezu ein daraus folgendes Leben als verunstalteter gehbehinderter Mensch.

Mit Recht hat das Erstgericht aber auch die Drohung, obszön pornographische Aufnahmen von der Bedrohten ihrem Arbeitgeber zu zeigen, für geeignet erkannt, sie um ihre gesellschaftliche Stellung fürchten zu lassen. Die vom

Nichtigkeitswerber ins Treffen geführte Anerkennung besonders erfolgreicher "Pornostars" in einem Teil der Öffentlichkeit kann nichts daran ändern, daß das Ansehen eines 19-jährigen Mädchens, das im Angestelltenmilieu lebt, durch das Bekanntwerden pornographischer Lichtbilder - nach Art der in Fotokopie im Akt erliegenden (S 35 bis 39) - in seinem Lebenskreis in der Wertschätzung, die es in seiner Umwelt genießt (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2 106 RN 5), in einer die Vernichtung ihrer gesellschaftlichen Stellung bedeutenden Weise beeinträchtigt würde (vgl. SSt. 52/9). Es versagt daher auch die Subsumtionsrüge.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 106 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zweifache Verbrechensqualifikation, als mildernd hingegen, daß es beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung begehrt Walter H*** die Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie deren bedingte Nachsicht. Keines dieser Begehren ist begründet.

Das Erstgericht hat dem Berufungswerber zu Recht die Führung eines asozialen Lebenswandels vorgeworfen. Denn Walter H*** ist bisher zweimal strafgerichtlich - jeweils überwiegend wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen - zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt worden, wobei diese Urteile zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen. Während offener Probezeit beging er die den Gegenstand dieses Strafverfahrens bildende Tat, die auf den gleichartigen verwerflichen Beweggrund, nämlich jenen der ungerechtfertigten Bereicherung, zurückzuführen ist, wie die den Vorverurteilungen zugrundeliegenden Straftaten. Der Rechtsmittelwerber steht daher dem Rechtsgut "fremdes Vermögen" offensichtlich gleichgültig, wenn nicht schon ablehnend gegenüber. So gesehen ist sein Lebenswandel als mit den rechtlich verbundenen Werten im Widerspruch stehend, zu beurteilen. Darüber hinaus hätte das Schöffengericht den Umstand, daß Walter H*** schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhenden Tat verurteilt worden ist, richtigerweise als weiteren Erschwerungsgrund berücksichtigen müssen. Da das Erstgericht zum Vorteil des Angeklagten einen gewichtigen Erschwerungsgrund übersehen, die Strafe aber trotzdem bloß im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens ausgemessen hat, kann sich der Berufungswerber durch die Verhängung einer einjährigen Freiheitsstrafe, die durchaus tätergerecht und schuldangemessen ist, nicht beschwert erachten.

Der Gewährung bedingter Strafnachsicht stand das einschlägig belastete Vorleben des Angeklagten und sein Rückfall in offener Probezeit entgegen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E14113

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00044.88.0607.000

Dokumentnummer

JJT_19880607_OGH0002_0150OS00044_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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