Norm
§6 Abs1 Z3 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle Belästigung durch DrittenText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 7/2011)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 28. Juni 2016 über den am 9. Dezember 2014 für Frau A (Antragstellerin) von deren rechtsfreundlicher Vertretung eingebrachten Antrag – der in weiterer Folge von der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) übernommen worden ist – betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Herrn B (Antragsgegner) gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 7/2011; alle folgenden Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 102/2011) zu GZ GBK I/593/14 zu folgendem
Prüfungsergebnis
Der Senat I der GBK kommt zur Auffassung, dass Frau A durch Herrn B gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG sexuell belästigt worden ist.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche und mündliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners gegenüber dem Senat I der GBK sowie die mündliche Befragung der Auskunftspersonen Frau C, Herrn Betriebsratsvorsitzenden D, Frau E (Gleichstellungsbeauftragte), Frau F (Personalchefin), Frau G (Betriebsärztin der xx) und Herrn H (ehemaliger Mitarbeiter der xx). Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf den klinisch-psychologischen Kurzbefund von Frau I. Dem Senat I der GBK lag zudem der Befundbericht von Frau J vor.
Vorbringen und Aussagen
Im Antrag der rechtsfreundlichen Vertretung wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:
Frau A (Antragstellerin) sei seit 1. Juli 1998 bei der Firma xx als kaufmännisch-technische Angestellte beschäftigt. Seit etwa 2010 sei die Antragstellerin regelmäßig von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Antragsgegner, der auch seit 22. Februar 2010 als Belegschaftsvertreter Mitglied des Aufsichtsrates sei, in verschiedener Form belästigt worden. Die sexuellen Belästigungen seien sowohl verbal als auch handgreiflich erfolgt. Darüber hinaus habe es von Seiten des Antragsgegners ihr gegenüber Bekleidungsvorschriften gegeben, er habe etwa verlangt, dass sie keine blickdichten BHs oder nur roten Nagellack trage, da dieser erotischer sei. Eine beige Hose habe sie nicht mehr tragen dürfen, da diese sie dick mache.
Folgende verbale Übergriffe seien der Antragstellerin erinnerlich: „Mach die Beine breit, ich will dein Höschen sehen“ (dabei habe der Antragsgegner versucht, der Antragstellerin in den Schritt zu greifen); „Wie schauen deine Brustwarzen aus. Zeig her, ist der Warzenhof groß oder klein?“; „Ich wünsche mir, bis zu meiner Pension mit dir zu schlafen – als mein Pensionsgeschenk“; „Du bist zu moralisch“; „Zieh die Hose ordentlich rauf, ich will deine Schamlippen sehen“; „Du machst mich so geil, ich hab schon wieder einen Steifen! Greif hin!“ (dabei habe er sich in den Schritt gegriffen); „Du bist nicht normal, jeder hat eine Geliebte, Könige haben Mätressen, Araber haben auch mehrere Frauen“; „K“ (Anm: der Lebensgefährte der Antragstellerin) „betrügt dich sowieso. Du bist zu naiv“; „Du kannst ruhig mit mir schlafen. Dein Partner muss ja nichts wissen davon“.
Es sei auch vorgekommen, dass der Antragsgegner das Dekolleté der Antragstellerin abgeschleckt habe. Die Antragstellerin habe bei jedem Übergriff immer wieder gesagt, dass er diese Übergriffe sofort abstellen solle, da sie das nicht wolle, oder habe seine Hand weggeschlagen. Ungeachtet dessen habe der Antragsgegner sein Verhalten weiter fortgesetzt. Durch das Verhalten des Antragsgegners sei die Antragstellerin nicht nur in ihrer Arbeit belastet und teilweise aus diesem Grund arbeitsunfähig gewesen, darüber hinaus habe sie auch noch schwere psychische Störungen erlitten. Seit 2013 sei die Antragstellerin in regelmäßiger neurologischer, psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. Unter den gegebenen Umständen sei es nicht verwunderlich, dass die Krankenstände der Antragstellerin immer länger geworden seien. Auf Anraten ihrer Ärzte habe sie es nicht weiter ertragen können und dürfen, noch länger mit den nicht abnehmenden Belästigungen konfrontiert zu werden. Mit dem Schreiben vom 8. Oktober 2014 sei der oben dargelegte Sachverhalt dem Vorsitzenden des Betriebsrates der kaufmännischen Angestellten der xx schriftlich mitgeteilt worden. Ob das Arbeitsverhältnis des Antragsgegners zur xx nach wie vor aufrecht sei, entziehe sich der Kenntnis der Antragstellerin.
In der auf Ersuchen des Senats I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme bestritt dieser die im Verlangen vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Die Vorwürfe gegen den Antragsgegner seien zurückzuweisen. Der Antragsgegner sei stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrates für die xx Belegschaft. Er sei gemäß § 117 ArbVG freigestellt. Die Antragstellerin sei seit 1. Mai 2006 als Assistentin im Betriebsratsbüro tätig gewesen.
Anlässlich der Hochzeit des Antragsgegners am 22. Juli 2008 habe die Antragstellerin als Trauzeugin für dessen Frau fungiert. Gegenüber seiner Ehefrau habe die Antragstellerin nie irgendwelche Belästigungen erwähnt. Noch am 17. April 2014 habe das Ehepaar B gemeinsam mit der Antragstellerin und deren Lebensgefährten an einem von der xx und der AK … veranstalteten Kabarett unter dem Motto „Künstler besuchen Betriebe“ teilgenommen.
Etwa ein Jahr nach der Verehelichung des Antragsgegners habe die Antragstellerin während eines wöchentlichen Termin-Updates unerwartet gefragt, ob er sie heiraten würde. Dies sei für den Antragsgegner kein Thema gewesen, da er bereits verheiratet gewesen sei. Wochen später, aber noch im Jahre 2009, habe der Antragsgegner überraschenderweise einen Anruf der Mutter der Antragstellerin erhalten, worin sie ihm gegenüber angemerkt habe, dass er ihre Tochter nur dann haben könne, wenn sie die unterschriebenen Scheidungspapiere von ihm sehe. Ihre Tochter rede zu Hause fast nur von ihm und „liebe ihn heiß“. Der Antragsgegner sei darüber sehr verwundert gewesen und habe geantwortet, dass er gar nicht daran denke, sich scheiden zu lassen, auch wenn er die Antragstellerin sehr schätze und mit ihr beruflich gut zusammenarbeite. Als der Antragsgegner die Antragstellerin mit dem Anruf ihrer Mutter konfrontiert habe, habe diese mit rotem Kopf sehr zornig reagiert: Es stimme dies nicht. Allerdings sei das freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden aufrecht geblieben. So habe die Antragstellerin jedes Jahr bis einschließlich 2013 dem Antragsgegner eine Geburtstagstorte gebacken. Auch ein Foto von der Übersiedelung in ein Reihenhaus habe sie dem Antragsgegner 2012 gegeben.
2009 sei bei der Antragstellerin eine Autoimmunkrankheit festgestellt worden. 2011 sei bescheidmäßig eine Behinderung der Antragstellerin im Ausmaß von 50% gemäß § 8 BEinstG festgestellt worden, wodurch sie kündigungsgeschützt sei.
Die nachfolgenden Schilderungen zum Privatleben der Antragstellerin würden nicht dazu dienen, die Antragstellerin schlecht dastehen zu lassen, sondern nur zum Beweis dafür, dass die derzeitigen psychischen Probleme nicht auf das Verhalten des Antragsgegners zurückzuführen seien. Kurz nach der Hochzeit des Antragsgegners sei die Beziehung der Antragstellerin mit einem Kollegen gescheitert. Während dieser Beziehung sei es im Betriebsratsbüro sehr häufig zu lautstarken Streitigkeiten, oftmals wegen Geld, gekommen, woraufhin der Antragsgegner die Antragstellerin ersucht habe, diese Konfrontationen nicht immer im Betriebsratsbüro auszutragen. Später sei dann eine Beziehung mit einem Techniker der xx in die Brüche gegangen. Dies habe die Antragstellerin in eine tiefe Krise gestürzt. Die Antragstellerin habe vorwiegend Kontakt mit Kollegen gehabt, die in der Technik beschäftigt gewesen seien. Ihre zwei zuvor genannten Beziehungen hätten mit Technikern der xx bestanden. In diesem Zusammenhang sei immer wieder zu hören gewesen, wie „super die wilden Partys“ in der Wohnung der Antragstellerin gewesen seien. Dies habe der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin in Hinblick auf ihre Reputation und die des Betriebsrates angesprochen. Die Antragstellerin habe dies als ihre „private Angelegenheit“ angesehen. Kurze Zeit später sei neuerlich eine Beziehung zu Ende gegangen. Auch dieser Beziehungskonflikt sei im Betriebsratsbüro ausgetragen worden. Danach habe die Antragstellerin ihren jetzigen Lebensgefährten kennengelernt. Offenbar habe ihn anfangs die Mutter der Antragstellerin abgelehnt, sodass es telefonische Schreiduelle gegeben habe. Über die Einmischungen der Mutter habe sich die Antragstellerin beim Antragsgegner beklagt. In dieser Zeit habe sich, merkbar für den Antragsgegner, der Tablettenkonsum der Antragstellerin erhöht. Auch um ihren Sohn, der des Öfteren in der Nacht Krampfanfälle bekäme, habe sie sich Sorgen gemacht. In dieser Zeit sei es vorgekommen, dass die Antragstellerin, ohne den Antragsgegner zu informieren, nicht zur Arbeit erschienen sei. Die Antragstellerin nehme psychiatrische Hilfe in Anspruch. Weitere Belastungspunkte seien der Umzug in das neue Reihenhaus sowie Schwierigkeiten mit der Exfrau ihres Lebensgefährten und dessen Kindern gewesen. Der Antragsgegner habe sich stets bemüht, auf die Erkrankung und die Probleme der Antragstellerin Rücksicht zu nehmen. Nach der Zuerkennung der Behinderteneigenschaft hätten sich die Krankenstände der Antragstellerin rasant erhöht. Dies habe zu Unmut in der Belegschaft geführt. Frau N, die Assistentin des Betriebsratsvorsitzenden, Herrn Alfred D, habe auch die Arbeit der Antragstellerin erledigen müssen. Der Betriebsratsvorsitzende habe dazu gemeint, dass es so nicht weitergehen könne. Man müsse hier eine Lösung finden, um die Absenzen der Antragstellerin zu kompensieren. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin, manchmal auch im Beisein der Gleichbehandlungsbeauftragten, Frau E, jedoch wegen ihrer Autoimmunkrankheit in Schutz genommen. 2013 habe der Antragsgegner begonnen, die Antragstellerin darauf hinzuweisen, dass er es nicht mehr schaffe, ihre Absenzen zu kompensieren und dass eine Lösung angestrebt werden müsse. Daraufhin habe die Antragstellerin ihm zugesagt, weniger Krankenstände in Anspruch zu nehmen. Letztlich sei sie aber 185 Tage im Krankenstand gewesen. Sie würde unter Panikattacken und Angstzuständen leiden. Seit 15. Juli 2014 befinde sich die Antragstellerin ununterbrochen im Krankenstand. Da der Betriebsratsvorsitzende eine Lösung dieses Problems gefordert habe, habe der Antragsgegner die Antragstellerin angerufen und sich bei ihr erkundigt, wie es bei ihr nun weitergehe. Sie habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass ihr nächster Kontrolltermin am 30. September 2014 sei, und sie bis dahin fix zu Hause bleibe. Am Ende des Gesprächs habe der Antragsgegner die Antragstellerin daraufhin hingewiesen, dass sie aufgrund ihres Behinderteneinstellungsscheines nicht leicht gekündigt werden könne. Der Betriebsrat wäre bereit, sie im Fall eines etwaigen Austrittswunsches bei den Verhandlungen mit dem Unternehmen über die Konditionen zu unterstützen. Die Anwendung des Sozialplans sei nach seiner Einschätzung nicht möglich, da sie nicht die Bedingungen erfülle. Die Antragstellerin habe dazu gemeint, dass sie darüber nachdenken und er von ihr hören werde.
Am 8. September 2014 sei der Betriebsratsvorsitzende vom Rechtsanwalt Herrn O angerufen worden, der ihm mitgeteilt habe, dass er mit ihm das heikle Thema sexuelle Belästigung besprechen müsse. Am 25. September 2014 habe sich der Betriebsratsvorsitzende mit Herrn O, der Antragstellerin und deren Mutter im Café … getroffen. Das Gespräch sei chaotisch verlaufen und der Betriebsratsvorsitzende habe den Anschuldigungen der Antragstellerin nicht ganz folgen können, sodass er gebeten habe, man möge die Anschuldigungen schriftlich darlegen. Am 10. Oktober habe der Betriebsratsvorsitzende das Schreiben vom Rechtsvertreter der Antragstellerin, datiert vom 8. Oktober 2014, erhalten. Es sei nicht richtig, dass die Rechtsvertretung bzw. die Antragstellerin selbst die Arbeitgeberin, xx, kontaktiert habe. Vielmehr habe die Personalchefin der xx, Frau F, mit dem Vertreter der Antragstellerin Kontakt aufgenommen. Die Antragstellerin habe sich allerdings geweigert, mit der Personalchefin ein Gespräch zu führen.
Im Schreiben des Rechtsvertreters seien zwar die angeblichen sexuellen Belästigungen geschildert worden. Es gehe jedoch aus dem Schreiben nicht hervor, dass die Antragstellerin den Antragsgegner jemals aufgefordert hätte, sein Verhalten einzustellen. Noch habe sie von der Arbeitgeberin gefordert, dass diese Sorge trage, dass der Antragsgegner diese Handlungen in Hinkunft unterlasse. Ein von der Antragstellerin verfasstes Protokoll – wie es in solchen Fällen üblich sei – über die angeblichen Vorkommnisse, habe es auch nicht gegeben. Interessanterweise habe sie in diesem Schreiben dem Betriebsrat ein Vergleichsangebot unterbreitet, das mit sehr hohen finanziellen Forderungen verbunden gewesen sei. Allerdings habe sie ihre Geldforderungen nie an die Arbeitgeberin selbst gerichtet. Vermutlich habe die Antragstellerin damit spekuliert, dass der Antragsgegner bzw. der Betriebsrat sie doch in den Sozialplan, der ihr höhere finanzielle Abgeltungen zuerkennen würde, aufnehmen könnte. Allerdings habe sie weit mehr gefordert, als im Sozialplan vorgesehen sei.
Nach Rücksprache mit dem Antragsgegner habe der Betriebsratsvorsitzende unverzüglich die Personalchefin der xx informiert und ihr das Schreiben übermittelt. In der Folge sei es am 14. Oktober 2014 zu einem Gespräch zwischen der Personalchefin und dem Antragsgegner im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden gekommen. Der Antragsgegner habe zu den Vorwürfen der Antragstellerin umfangreich Stellung genommen. Die Personalistin habe daraufhin mit dem Rechtsvertreter der Antragstellerin Kontakt aufnehmen und die Antragstellerin zu einem Gespräch einladen wollen. Dieses habe aber nicht stattgefunden. Der Rechtsvertreter der Antragstellerin habe ein Treffen als sinnlos erachtet, da man nunmehr die Entlassung des Antragsgegners forderte. Die Personalchefin habe dies abgelehnt, worauf vom Rechtsvertreter eine Klage bei Gericht gegen den Antragsgegner angekündigt worden sei.
Der Antragsgegner bestreite entschieden, die Antragstellerin jemals sexuell belästigt zu haben. Es habe auch keine Bekleidungsvorschriften seitens des Antragsgegners gegeben. Bis zuletzt, damit sei der 15. Juli 2014 gemeint, hätten sich die beiden mit Wangenkuss begrüßt. Er sei nie von der Antragstellerin aufgefordert worden, er möge sein Verhalten einstellen. Es habe ein lockerer Umgang zwischen ihnen beiden geherrscht. Wenn z.B. die Antragstellerin anführe, der Antragsgegner hätte die Brust der Antragstellerin abgeschleckt, so sei dies unrichtig wiedergegeben. Anlässlich einer privaten Weihnachtsfeier habe sich die Antragstellerin einen Cappuccino bestellt. Beim Trinken sei der Schaum in ihr Dekolleté getropft. Die Antragstellerin habe daraufhin die Frage in die Runde gestellt, wer bereit sei, den Schaum abzuschlecken. Der Antragsgegner, der neben ihr gesessen sei, habe dies dann getan. Der Antragsgegner könne sich auch erinnern, dass einmal über Mätressen diskutiert worden sei, aber nicht in der von der Antragstellerin dargestellten Art. Auffällig bei den angeführten Vorwürfen sei, dass kein Datum der jeweiligen Vorfälle genannt werde. Die Antragstellerin habe sich einmal selbst in Gegenwart des Antragsgegners im Büro auf den Bauch gegriffen und zu ihm gesagt: „Schau, wie fett ich bin“, und dabei ihre Beine angehoben. Es sei die Art der Antragstellerin gewesen, mit kurzem Rock breitbeinig zu sitzen.
Es sei zu vermuten, dass der Befundbericht von Frau I vordatiert sei. Das Datum vom 11. August 2014 könne nicht richtig sein, da in der vorgelegten Aufstellung der Behandlungstermin bei Frau I nicht eingetragen sei. Weder für den Arztbesuch noch für den Kurzbefund liege eine Rechnung vor.
In der mündlichen Befragung führte die Antragstellerin ergänzend aus, dass die sexuellen Belästigungen mit 2010 begonnen hätten, als der Antragsgegner ihr Vorgesetzter geworden sei. Damals sei sie mit ihrem jetzigen Lebensgefährten zusammengekommen. Da habe es vom Antragsgegner Äußerungen, wie z.B.“der neue Freund fickt dein Hirn raus!“, gegeben. Sie habe deshalb kündigen wollen. Der Antragsgegner habe sie überredet, ihre Kündigung wieder zurückzunehmen, da sie ansonsten ihre Abfertigung und ihre gute Anstellung verlieren würde.
Die im Antrag genannten verbalen bzw. körperlichen Belästigungen seien beispielgebend und nicht erschöpfend. Da gebe es noch viel mehr. Solchen Bemerkungen sei die Antragstellerin täglich ausgesetzt gewesen. Auch wenn sie sehr oft allein mit dem Antragsgegner im Büro gewesen sei, gebe es Personen, die ihre Angaben bezeugen könnten, so zB Frau C, die im Büro im Headoffice, aber auch oft bei der Antragstellerin im Büro anwesend gewesen sei. Ihr gegenüber habe der Antragsgegner ebenfalls solche Äußerungen gemacht.
Zu ihrem Gesundheitszustand gab die Antragstellerin an, dass sie sich in psychotherapeutischer Behandlung befinde. Sie leide seit 2008 gesundheitlich unter diesen traumatischen Erfahrungen. Erst 2014 habe sie ihrer Familie von den Belästigungen durch den Antragsgegner erzählen können. Davor habe sie sogar ihrem Lebensgefährten nichts von den Übergriffen erzählen können, weil er eben ihr Lebensgefährte sei. Irgendwann habe sie zu Hause einfach zu heulen begonnen und es sei aus ihr herausgebrochen. Seit sie nicht mehr zur Arbeit gehe, habe sie nicht mehr Panikattacken und auch nicht mehr diesen Knödel im Hals, den sie davor schon hatte, wenn sie nur ein Flughafenschild sah. Dem Antragsgegner habe sie gesagt, dass sein Verhalten krank sei und er in Behandlung gehöre. Wenn er versucht habe, sie zu küssen, habe sie ihn weggestoßen und fluchtartig das Büro verlassen. Zu den körperlichen Berührungen gab die Antragstellerin an, dass der Antragsgegner sie einmal im Schritt bzw. beim Höschen berühren habe wollen. Da habe sie ihn weggeschoben.
Auf Nachfrage des Senates I, wieso sie sich nicht früher durch eine Beschwerde gegen den Antragsgegner gewehrt habe, gab die Antragstellerin an, dass sie nicht gewusst habe, an wen sie sich hätte wenden können: Zur Gleichbehandlungsbeauftragten habe sie nicht gehen können, weil diese angeblich in den Antragsgegner verliebt sei. Zum Personalbüro könne sie ebenso wenig gehen, weil dort alle hinter ihm stehen würden. Der Antragsgegner sitze ja auch im Aufsichtsrat der xx. Er habe immer gesagt, dass ihm keiner etwas antun könne.
Bezüglich des Vorfalls mit dem Dekolleté, bei dem er sie abgeschleckt habe, brachte die Antragstellerin vor, dass seine Geschichte nicht richtig sei, da sie in ihrem Leben noch nie Kaffee getrunken habe. Im Dezember 2006 bei der Weihnachtsfeier habe der Antragsgegner in Gegenwart von Frau C und Herrn D Schlagobers oder so etwas weggeschleckt. Sie habe ihn keineswegs dazu aufgefordert. Dies sei jedoch vor der Zeit gewesen, in der die Belästigungen stattgefunden hätten. Ihre Vorwürfe hätten sich auf ein späteres Ereignis im Büro bezogen, wo sie sich angeblich mit Joghurt „angepatzt“ habe und der Antragsgegner ihr das wegschlecken habe wollen. Das seien zwei ganz verschiedene Situationen gewesen.
Die Gesprächsatmosphäre im Arbeitsbereich sei immer sexualisiert gewesen. So habe sie der Antragsgegner im März 2013 geholt und zu ihr gemeint, dass er bis zur Pension mit ihr schlafen wolle, dass das für ihn quasi ein Pensionsgeschenk sei, sie sollte nicht so moralisch sein.
Bei den meisten Vorfällen sei niemand dabei gewesen. Das Büro habe draußen eine Glocke, man könne nur von innen öffnen. Es sei kein normales Büro, in das jeder hineingehen könne. Das sei keine Sicherheitsvorschrift, es gebe ohnehin vorne eine Schleuse mit einem Scanner, …. Vielmehr habe der Antragsgegner nicht gestört werden wollen. Die Klingel sei erst eingebaut worden, als das Büro für die Technik adaptiert worden sei.
Ein weiterer Grund, wieso sie die Übergriffe so lange ausgehalten habe, liege darin, dass der Antragsgegner in Hinblick auf die Arbeit und ihre sehr zahlreichen Krankenstände ein angenehmer Chef gewesen sei. Auf Grund dieses Entgegenkommens von seiner Seite habe sie die sexuellen Belästigungen so lange toleriert und auch so lange geschwiegen. Natürlich wisse sie, dass sie das Gehalt, das sie bei der xx verdient habe, nirgendwo mehr verdienen werde. Aber es sei nunmehr ein Punkt erreicht, wo es einfach nicht mehr gehe.
Freundschaftlich sei das Verhältnis nicht gewesen. Der Antragsgegner und seine (spätere) Frau seien zu ihr gekommen und hätten gefragt, ob sie nicht die Trauzeugin der Frau werden wolle. Ihr sei dies komisch vorgekommen, sie selbst würde keine/n Mitarbeiter/in fragen. Die beiden dürften keine Freunde bzw. Familie haben. Die Antragstellerin habe die Frau vor der Trauung nur ein einziges Mal bei einer Firmenfeier gesehen. Privat hätten sie sich nicht getroffen, sondern nur auf Firmenveranstaltungen, wo alle Mitarbeiter/innen zusammengekommen seien.
Der Antragsgegner habe der Antragstellerin ihre mehreren Partner im Sinne einer Promiskuität bzw. psychischen Instabilität vorgeworfen, weiters, dass sie „wilde Partys“ mit Mitarbeiter/innen und Kollegen/innen feiere. Was die Antragstellerin in ihrer Freizeit mache, gehe den Antragsgegner jedoch nichts an.
Die Befragung von Herrn B (Antragsgegner) ist zunächst auf Grund von Vergleichsgesprächen nur in Kurzform erfolgt, da man die Chance auf eine Einigung durch das Verfahren vor der GBK nicht beeinträchtigen wollte. Da ein Vergleich letztlich nicht zustande kam, wurde der Antragsgegner mehrmals zu einer ausführlichen Befragung geladen, zu der er nie erschienen ist, sodass der Senat I der GBK schließlich auf seine Aussage verzichtet und das Verfahren ohne diese fortgeführt hat. In der kurzen Befragung vom 11. November 2015 gab der Antragsgegner zum Betriebsratsbüro der Techniker/innen an, dass hinter der Eingangstür, die nach Anläuten geöffnet werde, die Assistenz gesessen sei. Dahinter sei sein Büro gewesen. Diese Türe sei aus Gründen der Sicherheit hinsichtlich der im Betriebsratsbüro befindlichen Personalakten sowie aus Überlegungen in Hinblick auf die Vertraulichkeit eingerichtet worden. Es sollte auch Tratschereien vorgebeugt werden, wenn jemand, der das Gespräch mit dem Betriebsrat suche, dort von anderen Kollegen gesehen würde.
Die Auskunftsperson Frau C, ehemalige Arbeitnehmerin der xx, teilte dem Senat I der GBK mit, dass sie schon 2010 Mitglied des Betriebsrates bzw. Stellvertreterin von Herrn D gewesen sei. Der zweite stellvertretende Vorsitzende sei damals schon der Antragsgegner gewesen. 2012 habe sie das Unternehmen verlassen. Während dieser Zeit habe sich die Antragstellerin nicht an sie gewandt. Erst im Dezember 2014 habe die Antragstellerin sie gefragt, ob sie in dieser Sache aussagen würde. Sie habe zugesagt, da dies selbstverständlich sei. Die Äußerungen mit den engen Hosen, die mehr hinaufgezogen werden sollten, damit man die Schamlippen besser sehen könne, bzw. das abfällige Reden über Kolleginnen, habe die Auskunftsperson selbst mitbekommen. Sie habe gehört, wie der Antragsgegner dies zur Antragstellerin gesagt habe. Sie könne aber noch andere Dinge, wie den „großen Busen“ oder das Küssen im Nacken der Antragstellerin, bestätigen. An die Weihnachtsfeier, wo der Antragsgegner etwas aus dem Dekolleté der Antragstellerin geschleckt haben soll, habe die Auskunftsperson keine Erinnerung mehr. Die Antragstellerin habe mit erkennbarem Ekel auf derartige Belästigungen reagiert. Das Ganze sei sicherlich nicht angenehm für sie gewesen. Es habe sich sicher nicht um ein Geplänkel zwischen den beiden gehandelt. Es habe der Antragstellerin offenkundig nicht gut getan. Diese habe die unangenehmen Bemerkungen übergangen, nicht ins Lächerliche gezogen. Die Reaktion des Betriebsratsvorsitzenden D zu diesen Vorfällen sei gewesen, dass er das Ganze gefördert habe. Er habe mitgemacht. Es sei von ihm ins Lächerliche gezogen worden. So habe der Betriebsratsvorsitzende gemeint, dass die Antragstellerin der schönere Anblick wäre, und deshalb hinaus ins Technikerbüro zum Antragsgegner gehen sollte. Man bräuchte „einen Blickfang für die Technik“. Die eigenen Bemühungen der Auskunftsperson, sexuelle Belästigungen in Betriebsvereinbarungen zu behandeln, seien lächerlich gemacht worden. Es seien auch von Unternehmensseite keine Initiativen gegen sexuelle Belästigungen ergriffen worden. Zur früheren Personalchefin bei der xx, Frau M, habe ein sehr gutes Vertrauensverhältnis bestanden. Deren Nachfolger seien Herren gewesen, die nicht sehr viel Verständnis für diese Problematik hätten. Dies könne ein Grund sein, wieso sich die Antragstellerin nicht an das Personalbüro gewandt habe. Weiters bestätigte die Auskunftsperson, dass das Techniker-Betriebsratsbüro wie eine Enklave disloziert gewesen sei.
Dass sie nichts unternommen habe, als sie die Küsse von Herrn B in den Nacken der Antragstellerin gesehen habe, sei sicherlich ein Fehler von ihr gewesen. Unter den Technikern, aber auch im Stationsbereich, habe man abwertende Bemerkungen über die Gleichbehandlungsbeauftragte gemacht, die Damen abgebusselt und über Affären geredet. Die Techniker seien z.B. die … durchgegangen, „die Damen mit den kurzen Röcken“, „man könnte ihnen auf die Titten sehen“, udgl. Diese Atmosphäre habe die Mitarbeiterinnen gestört. Sie habe Herrn D gesagt, es wäre besser, wenn dies unterlassen würde. Es habe ständig Aussagen gegeben, wie z.B. „Schau Dir diesen Arsch an!“, „Schau Dir ihre Spalte an, wenn sie die Hose hochzieht!“, „Schau Dir dieses Gewand an ihr an!“, „Die würde ich gerne von hinten nehmen!“, „Die würde ich gerne von vorne nehmen“. Das seien auch die Gesprächsthemen des Antragsgegners gewesen.
Die Auskunftsperson D, zuständiger Betriebsratsvorsitzender, teilte mit, dass auch von Seiten des Betriebsrates ein Interesse bestehe, die Angelegenheit endgültig zu klären bzw. zu bereinigen. Es könne ja nicht angehen, dass wegen der Autoimmunkrankheit der Antragstellerin das Betriebsratsbüro schon den dritten Sommer nicht besetzt wäre. Man könnte andere Mitarbeiter/innen auf ihren Posten setzen, die ansonsten abgebaut werden müssten.
Von den gegenständlichen Vorwürfen der Antragstellerin habe er im Oktober 2014 durch Herrn RA O erfahren. Der Betriebsratsvorsitzende bestätigte gegenüber der GBK, dass im Unternehmen ein rauerer Ton herrsche. Männerwitze im weiteren Sinn (Herrenwitze) und sexualisierte Anspielungen habe er durchaus mitbekommen. Allgemein hätten die Techniker einen raueren Ton, durchaus einen sehr direkten Ton. Es habe aber auch die Antragstellerin einen lockeren Umgangston gepflegt. Die Auskunftsperson habe mitbekommen, dass der Antragsgegner in sexualisierter Weise mit der Antragstellerin geredet habe. Diese habe dann meistens durchaus noch „eins drauf gegeben“. Sie sei dem Antragsgegner nichts schuldig geblieben. Anzügliche Bemerkungen über Frau A habe er nicht mitbekommen.
Nachdem die Vorwürfe der Antragstellerin schriftlich vorgelegt worden seien, habe er den Antragsgegner damit konfrontiert. Auch das Unternehmen habe er davon in Kenntnis gesetzt. Der Antragsgegner habe fassungslos reagiert, das Ganze wäre haltlos. Er habe die Vermutung geäußert, dass der Grund für die Vorwürfe der Antragstellerin sei, dass er im Auftrag des Betriebsratsvorsitzenden mit ihr darüber geredet habe, wie sie sich das weitere Arbeiten im Betriebsratsbüro vorstelle. Sie sei fast jeden Sommer drei, vier Monate nicht da gewesen. Bekleidungsvorschriften aufgestellt zu haben, habe der Antragsgegner ebenso bestritten, wie die Bemerkung, dass die Antragstellerin ihre Hose höher hinaufziehen sollte.
Es sei von Seiten der Personalvertretung keine Betriebsvereinbarung hinsichtlich sexueller Belästigung angedacht worden. Er habe bei der Antragstellerin nie den Eindruck gehabt, dass solche sexualisierten Bemerkungen oder der rauere Umgangston ihr sehr unangenehm gewesen seien. Er habe angenommen, dass die Antragstellerin in der Familie des Antragsgegners ein- und ausgegangen sei. Sie sei auch Trauzeugin der Gattin des Antragsgegners gewesen. Es habe ein relativ freundschaftlicher Umgang zwischen den beiden bestanden. So habe die Antragstellerin den Antragsgegner auch nie aufgefordert, sein Verhalten einzustellen. Die beiden hätten einander beim Begrüßen auf die Wange geküsst. Das sei ja kein Problem und auch in seinem Büro bei seiner eigenen Assistentin so üblich.
Zur Abrundung des Eindrucks des Senats I der GBK wurde die Gleichbehandlungsbeauftragte, Frau E, befragt. Sie sagte aus, dass sie im Oktober 2014 vom Betriebsratsvorsitzenden D über die Vorwürfe der Antragstellerin benachrichtigt worden sei. Vorher habe sich die Antragstellerin nicht an sie gewandt. Der Vorwurf der sexuellen Belästigung von Mitarbeiterinnen durch den Antragsgegner sei nie an sie herangetragen worden. Überall, wo männerdominierte Bereiche im Unternehmen seien, wie bei den Technikern, oder wo ein hoher Migrationshintergrund bestehe, sei eine sehr aufgeheizte Stimmung und gehe es durchaus herber zu. Sie selbst habe aber nie den Eindruck gehabt, dass so eine Atmosphäre bestehe, dass eine/r sich in gewisser Weise die Freiheit herausnehme und alle anderen mittun würden. Es seien aber durchaus Witze erzählt worden. Jedoch habe die Gleichbehandlungsbeauftragte selbst nicht erlebt, dass der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin derartige Witze gemacht habe. Sie habe nicht sehr viel Kontakt zu dieser gehabt. Die Antragstellerin sei ihr introvertiert erschienen. Der Antragsgegner habe gegenüber der Antragstellerin eher als Beschützer agiert.
Frau F sagte in ihrer Befragung als Auskunftsperson aus, dass sie die Antragstellerin nicht kenne und mit ihr noch nie gesprochen habe. Bis jetzt habe sie auch mit niemandem ein Vergleichsgespräch geführt. Ein gemeinsamer Termin sei nie zustande gekommen. Die GBK und deren Verfahren seien aus ihrer Sicht die Chance, überhaupt einmal einen Sachverhalt in dieser Angelegenheit festzustellen. Mit dem Betriebsratsvorsitzenden sowie dem Antragsgegner habe sie ein Gespräch führen können. Sexualisierte Bemerkungen bzw. Witze habe sie im Unternehmen nicht bemerkt. Diese würden auch nicht in ihrer Gegenwart gemacht werden. Es gebe in der Personalakte des Antragsgegners keine früheren Verfehlungen in Hinblick auf Belästigungen.
Frau G gab als Auskunftsperson an, sie sei die Betriebsärztin bei der xx und sei von beiden Seiten von der Verschwiegenheit entbunden worden. Zuerst habe Herr Betriebsratsvorsitzender D sie angerufen und über die Beschwerden der Antragstellerin informiert. Der Antragsgegner sei danach völlig aufgelöst zu ihr gekommen. Er habe Angst gehabt, dass die Antragstellerin bei ihr als Betriebsärztin das Thema sexuelle Belästigung geäußert haben könnte. Er habe auch die Befürchtung einer Intrige durch die Antragstellerin geäußert. Mit der Antragstellerin habe sie nicht reden können, da diese im Krankenstand gewesen sei. Die Antragstellerin habe sich nicht wegen sexueller Belästigung an sie gewandt. Sie sei zwar mehrmals zu ihr gekommen, aber immer seien sehr deutliche gesundheitliche Ängste, ua Herzinfarktsangst, der Grund gewesen. Die Antragstellerin sei psychisch belastet gewesen. Es habe sich um eine Angststörung gehandelt. Eine solche könne man in allen möglichen Kontexten entwickeln, sexuelle Belästigung könne einer davon sein. Auch teilte die Auskunftsperson mit, dass der vom Antragsgegner gepflegte Umgangston, wie dies in Männerbetrieben durchaus üblich sei, ein rauer sei und sein Auftreten das eines „machomäßigen Alphatieres“, was manchen gefalle und anderen gar nicht. Er habe auch einen Hang zu sogenannten Herrenwitzen gehabt. Dass Mitarbeiterinnen in Bezug auf den Umgangston in den männerdominierten Bereichen angäben, sie hielten „das alles“ nicht mehr aus, sei eines ihrer Dauerthemen als Betriebsärztin.
Die Auskunftsperson Herr H sagte in der Befragung durch den Senat I der GBK dahingehend aus, dass er nicht mehr bei der xx beschäftigt sei. Vor ca. zehn oder 15 Jahren sei er Betriebsrat gewesen. Als er nach 34 Jahren die xx verlassen habe, habe er zuvor viel Urlaub abgebaut und jeden Tag den Antragsgegner besucht. Dies sei von Jänner bis Ende Juni 2014 gewesen. Er sei dienstlich mit ihm befreundet, aber nicht privat. Die ganze Technik sei sehr männerdominiert und sicher kein Mädchenpensionat, aber Übergriffe wie sexistische Anmerkungen habe es keine gegeben. Bemerkungen über Mitarbeiterinnen, zu Aussehen, kurzen Röcken, habe es gegeben. Die betroffene Mitarbeiterin habe dies dann aber nicht gehört. Das sei in der heutigen Gesellschaft durchaus noch im Bereich des Normalen, wenn man eine hübsche Frau als hübsch bezeichne. Die Antragstellerin selbst sei kein Kind von Traurigkeit. Wenn sie etwas gestört habe, dann habe sie dies auch gesagt. Sie sei nicht auf den Mund gefallen. So habe die Antragstellerin nie einen der Männer zurechtgewiesen. Der Umgang zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner sei immer respektvoll gewesen. Er könne die Vorwürfe gegen den Antragsgegner nicht bestätigen. Da die Antragstellerin Angst um ihren Arbeitsplatz gehabt habe, weil sie oft im Krankenstand gewesen sei, könne Geld ein Grund für diese Vorwürfe sein. Seiner persönlichen Meinung nach seien das erfundene Vorwürfe.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch einen Dritten in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt wird.
Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“2 zu verstehen. Erzählen von freizügigen Witzen, anzügliche Bemerkungen über die Figur, über sexuelles Verhalten im Privatleben, „zufällige“ Körperberührungen, erzwungene Umarmungen sind einige der zahlreichen möglichen Erscheinungsformen von sexueller Belästigung.3
Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des Belästigers/der Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4
Ständige anzügliche Bemerkungen, wie z.B. Aussagen über enge Hosen, die weiter hinaufgezogen werden sollten, „damit man die Schamlippen besser sehen könne“, oder das abfällige Reden über (abwesende) Kolleginnen, wiederholte Umarmungen, das aufgedrängte Abschlecken des Dekolletés bzw. Berührungen beim Busen oder das Küssen im Nacken, das unausweichliche Konfrontieren der Arbeitnehmerin durch ihren Vorgesetzten mit Äußerungen über seinen Wunsch, mit ihr ein sexuelles Verhältnis zu beginnen, über ihr „erotisches“ Aussehen, über die weiblichen und männlichen Geschlechtsteile, mit Bekleidungsvorschriften, die dazu führen sollen, dass sich die Arbeitnehmerin besonders verführerisch präsentiere, oder die Bezeichnung der Arbeitnehmerin als „zu moralisch“ nach der Weigerung mit dem Vorgesetzten zu schlafen, ebenso wie die wiederholten Berührungen am Nacken, Umarmungen, Versuche, sie zu küssen oder am Höschen zu berühren, stellen objektiv der sexuellen Sphäre zugehörige Verhaltensweisen dar, die auf Grund ihrer Intensität geeignet sind, die Würde der Arbeitnehmerin zu beeinträchtigen und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die Arbeitnehmerin zu schaffen. Empfindet die betroffene Person dieses Verhalten zudem subjektiv als unerwünscht, unangebracht bzw. anstößig, ist dies unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG zu subsumieren.
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand iSd §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf § 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin ein Ermittlungsverfahren nach dem GBK/GAW-Gesetz durch.
Auf Grund der schriftlichen Unterlagen war das Vorbringen der Antragstellerin für den erkennenden Senat glaubhaft. Auch bei der ergänzenden Befragung durch den Senat I der GBK machte die Antragstellerin mit ihren ausführlichen Schilderungen einen sehr glaubwürdigen Eindruck. Sie wiederholte das behauptete Vorbringen, sich durch ständige Berührungen wie Umarmungen, Wangenküsse, Berührungen am Nacken und im Dekolleté, sowie die sexuell konnotierten Äußerungen über ihre Geschlechtsteile bzw. das Aussehen der Antragstellern, über den Wunsch, ein sexuelles Verhältnis mit der Antragstellerin einzugehen, Männerwitze, etc, durch den Antragsgegner sexuell belästigt gefühlt zu haben, ohne Widerspruch zu den Angaben im Verlangen. Die Schilderung ihrer Betroffenheit erschien dem erkennenden Senat authentisch. Zudem befindet sich die Antragstellerin durch die langjährigen sexuellen Belästigungen auf Grund einer dadurch hervorgerufenen psychischen Erkrankung in einem seit 2014 noch anhaltenden Krankenstand. Die durch die sexuellen Belästigungen hervorgerufene Erkrankung der Antragstellerin ist zudem durch klinische Befunde als auch durch die Aussage der Betriebsärztin, Frau G, untermauert worden.
Der Antragsgegner bestritt die Berührungen sowie den Umstand, dass er mit der Antragstellerin ein sexuelles Verhältnis haben wollte. Allerdings bestritt er weder in der schriftlichen Stellungnahme an den Senat I der GBK noch im weiteren Verlauf des Verfahrens dem Senat I der GBK gegenüber den lockeren Umgang bzw. Umgangston zwischen den beiden. So wurde bereits in der Stellungnahme das tägliche Wangenküssen bestätigt. Auch wurde von sämtlichen Auskunftspersonen die männerdominierte Atmosphäre, insbesondere die Männerwitze, bestätigt.
Dem Vorwurf der sexuellen Belästigung begegnete der Antragsgegner lediglich damit, dass auch die Antragstellerin „wilde Partys“ feiere bzw. ebenfalls einen lockeren Umgangston pflege. Er könne sich den Vorwurf der sexuellen Belästigung nur so erklären, dass man auf Grund ihrer zahlreichen Krankenstände eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisse überlege und die Antragstellerin im Zuge dieses Verfahrens sehr hohe finanzielle Forderungen gestellt habe, ua vom Betriebsrat Unterstützung erhofft, um in den Sozialplan aufgenommen zu werden.
Gerade diese vom Antragsgegner vorgebrachten Argumente zeigen für den Senat ein offenbar völliges Unvermögen des Antragsgegners, sexuelle Belästigung als Machtübergriff und damit auch als verpönte Handlungsweise nach dem Gleichbehandlungsgesetz wahrzunehmen. Vielmehr wird durch die Aussage des Antragsgegners vermittelt, dass es sich für ihn hierbei lediglich um einen lockeren Umgang bzw. Umgangston handelt, den er - aber offensichtlich auch viele seiner männlichen Arbeitskollegen - selbstverständlich nur gegenüber Frauen an den Tag legt. Der Antragsteller vermittelte dem Senat dabei auch den Eindruck, dass er von einem patriarchal geprägten Recht auf körperlichen Zugriff ausgeht, indem er Belästigungen als Annäherungen versteht. Ein derart geprägtes Verständnis, nach dem körperliche Übergriffe und verbale Belästigungen – vor allem im Nachhinein – als Annäherungsversuche verharmlost werden, lässt aus Sicht des Senats den Antragsgegner auch als unglaubwürdig erscheinen. Es sei zudem angemerkt, dass selbst die Aussagen des Antragsgegners vor dem Senat über das Aussehen der Antragstellerin, zusätzlich zu den für den Senat glaubhaft dargestellten Übergriffen, eine weitere Würdebeeinträchtigung darstellen. Selbst wenn die Antragstellerin ein „lockeres“ Privatleben bevorzugte oder auch „kein Kind von Traurigkeit“ wäre, würde dies den Antragsgegner in keiner Weise zu den dargestellten Übergriffen berechtigen. Indem der Antragsgegner selbstbestimmte Verhaltensweisen der Antragstellerin in ihrer Freizeit in einen Zusammenhang mit den Belästigungen am Arbeitsplatz bringt, lässt er einmal mehr seine mangelnde Sensibilität im Hinblick auf den Schutzzweck des GlBG erkennen. Andere Personen, die den Umgangston des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin miterlebten, waren zudem sehr wohl in der Lage zu erkennen, dass der Antragstellerin das Verhalten des Antragsgegners äußerst unangenehm war (vgl die Aussage von Frau C). Dass eine subjektive Betroffenheit durch das Verhalten des Antragsgegners vorliegt, ist im vorliegenden Fall zudem ärztlich bestätigt.
Zu dem von den Parteien widersprüchlich vorgebrachten Ereignis auf der Firmen-Weihnachtsfeier, wo der Antragsgegner der Antragstellerin Obers – nach deren Aufforderung an alle, dieses weg zu schlecken – aus dem Dekolleté geschleckt haben soll, ist seitens des Senates I der GBK festzuhalten, dass dieses Ereignis in der Zeit vor den Belästigungen stattgefunden hat und daher nicht Gegenstand des Verfahrens ist.
Der lockere Umgang wie das Wangenküssen, die Männerwitze und damit eine männerdominierte Arbeitsatmosphäre, in der grundsätzlich abfällig über Frauen gesprochen worden ist, wurden durch alle Auskunftspersonen bestätigt. Dies gab auch der Antragsgegner zu. Ob die Betroffenen dabei anwesend waren oder nicht, ist irrelevant, da wie bereits ausgeführt, die Äußerungen des Antragsgegners objektiv eine sexuelle Belästigung darstellen und die Antragstellerin sich auch subjektiv dadurch belästigt gefühlt hat. Es erscheint dem Senat wichtig zu betonen, dass eine von anzüglichen Bemerkungen (Männerwitzen) geprägte, männerdominierte Arbeitsatmosphäre schon für sich ausreichen kann, um den Tatbestand der Belästigung zu verwirklichen, und einen Nährboden für weitere Diskriminierungen darstellen kann. Die diesbezügliche Sensibilität der verantwortlichen unmittelbaren Vorgesetzten scheint dem Senat I, zumindest in der Vergangenheit, nicht ausreichend ausgeprägt gewesen (vgl die Aussagen mehrerer Auskunftspersonen, insb C, D, E, G).
Darüber hinaus wurden konkrete Aussagen des Antragsgegners zu engen Hosen der Antragstellerin, über Schamlippen und Busen, bzw. dessen Nackenküsse, durch das ehemalige Betriebsratsmitglied, Frau C, überzeugend bestätigt.
Gerade vor diesem Hintergrund waren die Schilderungen der Antragstellerin hinsichtlich weiterer anzüglicher Bemerkungen, wiederholter Berührungen am Nacken, der Umarmungen, des versuchten In-den-Schritt-Greifens und des permanenten Suchens von Körperkontakt durch den Antragsgegner sehr glaubwürdig. Der Vorwurf, nur finanzielle Vorteile durch eine unrichtige Behauptung einer sexuellen Belästigung zu erlangen, ist durch die ärztlichen Befunde und die erkennbare Betroffenheit der Antragstellerin für den Senat I der GBK als unglaubwürdig und bloße Schutzbehauptung auszuschließen.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er die sexuell belästigenden Verhaltensweisen nicht getätigt hat.
Es liegt somit eine sexuelle Belästigung durch den Antragsgegner gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Vorschlag
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird seitens des erkennenden Senates der Antragsgegner, Herr B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und ihm folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.
Wien, 28. Juni 2016
Ass.-Prof.in Dr.in Barbara Beclin
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Vgl. Posch in Rebhahn, GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.
3 Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 20.
4 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 12.
Zuletzt aktualisiert am
06.03.2017